Prof. Dr. Andrey Turchanin (l.) und Dr. Zian Tang haben die Smarten Nanoblätter mitentwickelt.

Ein winziges smartes Blatt angelt Proteine

Schneller und einfacher zu hochaufgelösten dreidimensionalen elektronenmikroskopischen Bildern von Biomolekülen
Prof. Dr. Andrey Turchanin (l.) und Dr. Zian Tang haben die Smarten Nanoblätter mitentwickelt.
Foto: Anne Günther (Universität Jena)
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Meldung vom: | Verfasser/in: Axel Burchardt

Eine Art Köder, um gezielt Proteinkomplexe aus Mischungen fi­schen zu können, hat ein interdisziplinäres Team aus Frankfurt/M. und Jena entwickelt. Dank dieses „Köders“ ist das gewünschte Protein wesentlich schneller für die weitere Untersu­chung im Kryo-Elektronenmikroskop (Kryo-EM) verfügbar. Dieser neuartige Film aus hauch­dünnem Kohlenstoff wurde auf den Namen „Smartes Nanoblatt“ getauft. Das Team hat die neuen Nanoblätter paten­tiert und auch schon einen Hersteller in der Umgebung von Jena gefunden, der dieses hilfreiche Werkzeug auf den Markt bringen wird. Über ihre Entdeckung berichten die Forschenden in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „ACS Nano”.

Mit unserem Verfahren lassen sich innerhalb einer Woche neuartige Proteine aus Mi­schun­gen isolieren und charakterisieren“, erklärt Daniel Rhinow vom Frankfurter Max-Planck-Insti­tut für Bio­physik. „Bisher war alleine die Isolierung der reinen Proteine oft Teil einer mehrjäh­rigen Dok­tor­arbeit“. Zusammen mit Andreas Terfort (Goethe-Universität Frankfurt) und An­drey Turchanin (Friedrich-Schiller-Universität Jena) entstand vor einigen Jahren die Idee, die gewünschten Pro­teine direkt aus Mischungen herauszufischen, indem man einen hauchdün­nen Probenträger mit Erkennungsstellen ausrüstet, an die das Zielprotein bindet – vergleich­bar einer Bushaltestelle, wo nur der passende Linienbus stoppt. Nun ist es den Wissenschaft­lern gelun­gen, diese Idee umzusetzen und Proteine dank eines „Smarten Nanoblatts“ umge­hend für eine Untersuchung im Kryo-EM zugänglich zu machen.

Störende Biomoleküle werden abgespült

Die Jenaer Gruppe um Turchanin setzt Kohlenstoff-Nanoblätter ein, die lediglich einen Nano­meter dünn sind und aus vernetzten, sich selbst formierenden (selbstassemblierenden) Mo­le­külen bestehen. Dieses Nanoblatt versieht Terforts Arbeitsgruppe mit zwei Funktionali­tä­ten: proteinabweisenden und -bindenden Stellen. Das Team um Rhinow nutzt die so präpa­rierten Smarten Nanoblätter, um Proteine gezielt aus einer Mischung zu fischen. Sie wurden vorab mit einer molekularen Kette markiert, mit der sie an die Erkennungsgruppe des Nano­blatts binden – alle anderen „störenden“ Biomoleküle lassen sich wegen der sonst bioab­weisenden Eigen­schaften des Nanoblatts abspülen. Danach wird die Probe mit dem gebun­denen Protein in einem ultradünnen Wasserfilm eingefroren und anschließend direkt mit dem Kryo-Elektro­nenmikroskop untersucht.

Unsere Smarten Nanoblätter sind besonders leistungsfähig, weil ihre Hybridstruktur den not­wendigen ultradünnen Wasserfilm stabilisiert, die Zielproteine spezifisch ankoppelt und gleich­zeitig die unspezifische Bindung störender Biomoleküle unterdrückt,“ erklärt Zian Tang von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der im Rahmen seiner Doktorarbeit die Smarten Nanoblätter mitentwickelt und materialwissenschaftlich charakterisiert hat. „Damit kann die molekulare Strukturbiologie nun viel schneller Proteinstrukturen und -funktionen erforschen“, ergänzt Turchanin, der eine Professur für Physikalische Chemie an der Universität Jena inne­hat. Mit daraus gewonnenen Erkenntnissen, erwarten die Forscher, lassen sich beispiels­weise Krankheiten und deren Behandlung besser verstehen.

Darstellung des neuen Verfahrens, bei dem das Smarte nanoblatt eingesetzt wird
Darstellung des neuen Verfahrens
Der zu untersuchende Proteinkomplex wird mithilfe einer Markierung (rote Kette mit Fünfecken) selektiv über einen Nickelkomplex an das Smarte Nanoblatt gebunden. Unerwünschte Proteine (grau) werden durch das Hydrogel (schwarzes Geflecht) abgestoßen. Nach dem Einfrieren des gesamten Gebildes inklusive eines dünnen Wasserfilms kann es mit Elektronen durchleuchtet werden, um Bilder der gebundenen Proteine zu erhalten (rechts oben). Daraus kann ein Computer die 3D-Struktur des Proteins berechnen (rechts unten).
Information

Original-Publikation:
J. Scherr, Z. Tang, M. Küllmer, S. Balser, A. S. Scholz, A. Winter, K. Parey, A. Rittner, M. Grininger, V. Zickermann, D. Rhinow, A. Terfort, A. Turchanin: Smart Molecular Nanosheets for Advanced Preparation of Biological Samples in Electron Cryo-Microscopy, ACS Nano 2020, DOI: 10.1021/acsnano.0c03052.
https://doi.org/10.1021/acsnano.0c03052Externer Link

Kontakt:

Andrey Turchanin, Univ.-Prof. Dr.