Das Periadriatische Lineament bestimmt maßgeblich die Lage großer alpiner Längstäler.

Paläoerdbeben in den Alpen

Neue Datierungsmethoden sollen erstmals Zeitlücke über jüngste Aktivitäten an bedeutender Störungslinie schließen
Das Periadriatische Lineament bestimmt maßgeblich die Lage großer alpiner Längstäler.
Foto: LIAG/Uni Jena
  • Forschung

Meldung vom: | Verfasser/in: Greta Clasen/Axel Burchardt

Das östliche Periadriatische Verwerfungssystem an der Grenze von den Ost- zu den Südalpen weist nach derzeitigem Forschungsstand kaum historische und instrumentelle Erdbeben auf – obwohl es zu den tektonisch wichtigsten Merkmalen der Alpen zählt. Das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG) und die Friedrich-Schiller-Universität Jena setzen in einem neuen Projekt nun neue Datierungsmethoden ein, mit denen erstmals auch die jüngsten geologischen Störungsaktivitäten erfasst werden können. Die Forschung schließt damit eine entscheidende Zeitlücke über die Entstehungsgeschichte der Alpen in der Quartärzeit zwischen den geologischen (vor mehr als 10 Millionen Jahren) und instrumentellen sowie historischen Aufzeichnungen (vor rund 1000 Jahren).

Informationen über vergangene Erdbeben sammeln

Gab es vielleicht doch Paläoerdbeben entlang des östlichen Periadriatischen Verwerfungssystems (PAF)? Durch die Kombination von Datierungsverfahren, wie der optisch stimulierten Lumineszenz (OSL) und der Elektronenspinresonanz (ESR) können Geowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler den Forschungszeitraum erstmalig auf einen Großteil des Quartärs – und damit auf den jüngsten geologischen Zeitraum der Erdgeschichte von vor 2,4 Millionen Jahren bis heute – ausdehnen. Für diesen Zeitabschnitt liegen bisher kaum Informationen über vergangene Erdbeben vor, was jedoch für Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte wichtig ist.

Um diese Zeitlücke zu schließen, sollen zahlreiche Proben entlang des östlichen PAF-Systems zwischen Südtirol, Osttirol, Kärnten und Slowenien im Gelände entnommen und datiert werden. Dabei macht sich das Forschungsteam die Tatsache zunutze, dass die Intensität der OSL- und ESR-Signale in Quarz und Feldspat – zwei der häufigsten gesteinsbildenden Minerale – durch Reibungserwärmung während seismischer Ereignisse an Verwerfungen teilweise zurückgesetzt werden kann. Dadurch möchte das Forschungsteam den zeitlichen Ablauf früherer Erdbeben besser eingrenzen. Dieser neue Ansatz wird dazu beitragen herauszufinden, welche dieser Verwerfungen im gesamten Quartär seismisch aktiv waren. Auf diese Weise soll ein Verständnis über tektonische Bewegungen in der Übergangszone der Ost- und Südalpen während des gesamten Quartärs geschaffen und ein synthetisiertes, konzeptionelles Modell der Deformationsprozesse erstellt werden.

Tektonische Aktivität charakterisieren und entschlüsseln

Die Auswertungen sollen erstmalig zeigen, welche Bruchsegmente des östlichen PAF-Systems seismotektonische Deformationen im gesamten Quartär aufwiesen“, erklärt Dr. Sumiko Tsukamoto, Wissenschaftlerin im LIAG. „Das übergreifende Ziel ist es, tektonische Aktivität zu charakterisieren und zu entschlüsseln, ob diese entlang einzelner Verwerfungsstränge oder in einer eher breiten Zone konzentriert sind.“

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir sowohl während der Probenahme im Gelände als auch bei der anschließenden Analyse der Proben im Labor akribisch genau vorgehen“, meint Prof. Dr. Kamil Ustaszewski von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Die Probenahme erfordert präzise strukturgeologische Dokumentation der Lagerungsbedingungen und der Zusammensetzung der Gesteine. Diese Beobachtungen bilden die Voraussetzung für eine erfolgreiche Laboranalyse und die spätere Interpretation unserer Ergebnisse hinsichtlich plattentektonischer Vorgänge.“

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Schwerpunkt-Programm „4D-MB – Gebirgsbildungsprozesse in 4 Dimensionen“ gefördert. Es ist Teil der Arbeitsgruppe (AG) C „Aktive Tektonik am Übergang Alpen-Dinariden“, die sich auf die einzige Region der Alpen konzentriert, die noch tektonisch aktiv ist. Das Schwerpunktprogramm ist ein zentraler Teil der internationalen „AlpArray Mission“, welche die Struktur der Europäischen Alpen von der Oberfläche bis in den Erdmantel abbilden möchte.

Kontakt (an der Uni Jena):