An interview with the linguist Maria Flaksman

Maria Flaksman
Maria Flaksman
Image: privat

Liebe Maria, das Ziel unserer Interviews ist es, Einblicke in das Leben und die Arbeit der zahlreichen internationalen Gastwissenschaftler*innen in an der Universität Jena zu geben. Wir möchten damit deren vielfältigen Beiträge zur Forschung in Jena und ihre persönlichen Erfahrungen sichtbarer machen, um deren Sichtbarkeit um universitären Kontext zu erhöhen. Dennoch führen wir unser Gespräch zu einer ganz außergewöhnlichen Zeit (Anm.: während des zweiten Lockdowns), die uns allen sehr viel abverlangt. Können Sie uns einen kleinen Einblick in ihre akademische Arbeit geben, wie gestaltet sich ihr Forschungsalltag hier in Jena?

Ich bin eine Stipendiatin und der Alexander-von-Humboldt Stiftung, die mein zweijähriges Projekt unterstützt. Ich bin Sprachwissenschaftlerin, beschäftige mich mit Germanischen Sprachen und bin aktuell Postdoktorandin an der Universität Jena. Ich gehöre zum Lehrstuhl für Indogermanische Sprachen und verfolge dort eine historisch vergleichende Forschung der Germanischen Sprachen. Ich habe einen sehr schönen Arbeitsplatz in einem der historischen Gebäude Ich betrachte die Gruppe der Germanischen Sprache und erforsche die Schalwörter, die Laute der Namen der Wörter in allen diesen Sprachen. Es geht um die Erforschung der Evolution aller dieser Wörter in verschiedenen historischen Stufen, wie genau haben sie sich in allen diesen Bereichen der germanischen Sprache verändert? Das ist ein sehr großes Projekt und ich arbeite meistens mit gedruckten oder digitalen Wörterbüchern. Ich hoffe, nach dem Projekt innerhalb des nächsten Jahres zwei Bücher zu veröffentlichen, die Resultate meiner Arbeit erscheinen erst nach meinem Aufenthalt hier in Jena. Der Zweck meiner Arbeit hier ist es, soviel Forschungsmaterial wie möglich zu sammeln. Meine Arbeitssprache ist Englisch, alle Texte die ich schreibe sind auf Englisch und alle Wörterbücher die ich verfasse auch. Ich benutze also täglich drei Sprachen: Deutsch, meine Muttersprache Russisch - wenn ich mit meiner Familie und Partner spreche - und Englisch, weil ich damit arbeite.

Sie arbeiten also viel allein, fühlen Sie sich denn innerhalb des Instituts gut aufgehoben, gibt es Dinge, die Sie besonders an Jena schätzen?

Ich habe sehr nette Kolleg*innen, die am Etymologischen Wörterbuch des Althochdeutschen arbeiten, ein großes Projekt, das viele Jahre dauert. Wir beschäftigen uns mit sehr ähnlichen Fragen mit Hinblick auf die Geschichte der Sprache, jedoch ist mein Projekt ist ein individuelles Spezialprojekt innerhalb meines Gast-Lehrstuhls. Mit meinem Betreuer treffe ich mich regelmäßig, dennoch sind die anderen Mitarbeiter/*innen eher mit ihren eigenen Projekten beschäftigt. Ich hatte die Chance, ein Semester hier an der Uni Jena für am Lehrstuhl zu unterrichten, ein Altenglischseminar. Das Seminar widmete sich altenglischen Texten, gemeinsam mit den Studierenden konnten wir viele originale Texte lesen, analysieren und übersetzen. Das war eine sehr interessante Erfahrung, obwohl es über Zoom stattfand. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich mich an der Uni Jena mit Studierenden unterhalten konnte und nicht nur an meinem Projekt arbeitete. Auch besuchte ich Ende 2019 Vorlesungen meiner Betreuer, unter anderem in der Linguistik und der Germanischen Sprachwissenschaft und ein Seminar von meinen Kolleg/*innen, in dem wir althochdeutsche, gotische und altsächsische Texte bearbeiteten. Das war sehr, sehr wichtig für mich, mehr Erfahrungen und Kenntnisse in dieser Sprache zu erwerben, weil ich auch mit alten Texten für mein Projekt arbeite.

Wie haben Sie die Atmosphäre und die Dynamik an der Universität vor dem Lockdown empfunden?

Ich mag die Struktur der Universität im Ganzen. Ich mag, dass die Seminare mit 20 bis 25 Studierenden nicht zu groß sind. Wenn ich Zuhause unterrichte, unterrichte ich am meisten englische Sprache, was mit über 25 Leuten in class und wenig effektiv ist, da ich nicht die gleiche Aufmerksamkeit jedem Studierenden schenken kann. Auch gibt es hier in Jena eine Auswahl an Lehrveranstaltungen, die man als Professorin anbieten kann. Das Altenglischseminar wollte ich an meiner Heimatuni durchführen, was jedoch mit dem Studienplan nicht zu vereinbaren ging. In Jena konnte ich dieses Seminar zum ersten Mal einfach anbieten, was mich sehr gefreut hat, da ich diese Texte früher nur im Rahmen eines Old English Reading Club für die Studierenden zur Verfügung stellen konnte, die freiwillig nach dem Studium ein wenig länger bleiben wollten, es war immer ein strukturelles und organisatorisches Problem.

Ich fühle mich Zuhause immer unterschätzt, weil ich Spezialistin für germanische Sprachen bin. Ich studierte Isländisch in Rejkjavik und Altisländisch und ich beschäftige mich immer eher mit älteren Sprachen wie Altgotisch und ich kann sie in Russland nicht unterrichten, weil sie nicht im Programm sind. Was ich unterrichte sind Dinge wie grundlegende Dinge wie Sprachkurse in Englisch und Übersetzung. Dadurch wird man sehr müde, weil man sich als Wissenschaftlerin weiterentwickeln und mehr anspruchsvolle Seminare anbieten will. Auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die man macht, kann man so in class nicht verwenden. Hier in Jena ist es so, dass man die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit direkt anwenden kann und die Studierenden nicht einfach in die Seminare kommen, weil es der Studienplan vorgibt, sondern sie zu den Fachleuten auf dem Gebiet wollen, was sie interessiert. Das ist für die Studierenden und die Professorinnen sehr gut. Die Freiheit der Wahl ist am wichtigsten für die Universitäten, das finde ich am fortschrittlichsten an deutschen Universitäten und gefällt mir in Jena am besten.

Wie gelingt es Ihnen, einen Ausgleich zu Ihrem universitären Alltag hier in Jena zu schaffen?

Zur Zeit konzentriere mich vor allem auf meine Arbeit. Ich kann über Jena als Stadt noch nicht viel sagen. Jena ist sehr gemütlich, sehr grün und ich schätze das. Ich komme aus einer sehr großen Stadt. Meine Heimatstadt Sankt Petersburg hat fünf Millionen Einwohner. Ich brauche anderthalb Stunden, um von meiner Wohnung zur Universität zu kommen und anderthalb Stunden zurück. Hier in Jena wohne ich in einem wunderschönen Gästehaus und für den Weg zur Arbeit benötige ich sind zwanzig bis oder fünfundzwanzig Minuten zu Fuß. Das ist ein angenehmer Spaziergang. Ich gehe den Fluß entlang, was eher Erholung als etwas Anstrengendes ist. Ich glaube, Jena ist ganz perfekt zum Forschen, denn die Stadt ist nicht zu groß und nicht zu klein. Was auch toll ist, dass man um Jena sehr schnell die Wälder erreichen kann. Gefühlt jedes Wochenende gehe ich spazieren und ich kenne zahlreiche Routen - Jenzig, Fuchsturm, Kernberge, Napoleonstein. Dadurch kann ich mich sehr gut erholen, wenn ich Natur so leicht erleben kann. Da ich nicht reisen kann, tröstet mich das sehr. Diese Möglichkeit, Distanz zu halten, ist perfekt für die Akademiker/innen, die den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzen und das finde ich perfekt für die eigene Gesundheit. Auch wenn die Sportanlagen geschlossen sind, ist viel Sport möglich. Das Konzept von Universitätsstädten finde ich ausgezeichnet, denn in solchen Städten wohnen vor allem Studierende, Akademiker/innen und Professor/innenen., die Universitätsstädte sind normalerweise nicht so groß und sehr lebendig und unter normalen Verhältnissen geht es um Kultur, um Sport, um soziales Leben. Und diese Idee, diese Mischung finde ich am interessantesten.

Liebe Maria, vielen Dank für den Einblick in ihre Arbeit und ihr Leben hier in Jena, wir wünschen Ihnen noch eine gute Zeit!