Wissenschaftliches Arbeiten

Lehre NACHGEFRAGT

Newsletter Lehre 01 2021
Wissenschaftliches Arbeiten
Foto: Freepik

Fünf Fragen an Professor Georg Pohnert zum Thema ‚Anleitung zur wissenschaftlichen Selbstständigkeit‘ – Studenten und Studentinnen auf die Forschung vorbereiten

Georg Pohnert Portrait 2018
Georg Pohnert Portrait 2018
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Professor Georg Pohnert leitet seit 2007 den Lehrstuhl für Bioorganische Analytik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Im Jahr 2011 wurde er mit dem Lehrpreis der Universität ausgezeichnet. Neben seinen herausragenden didaktischen Fähigkeiten überzeugte die Jury damals u. a. sein Engagement für die Begabtenförderung. Zudem wurde er mit einer Lichtenbergprofessur der Volkswagenstiftung, dem Dechema Preis für Naturstoffchemie und dem Akademiepreis der Göttinger Akademie für Wissenschaften ausgezeichnet. Seit 2015 ist er Fellow der Max-Planck-Gesellschaft und seit 2019 Vizepräsident für Forschung an der Uni Jena. Ihn zeichnet aus, dass er nicht zwischen Lehre und Forschung abwägt, sondern diese als gleichwertige, sich gegenseitig bedingende Elemente des Wissenschaftssystems erkennt.

 

 

 

 

Die Förderung wissenschaftlicher Selbstständigkeit Studierender ist eine in der Strategie 2025 - Lehre definierte Herausforderung für die Umsetzung der Prinzipien guter Lehre. Wo sehen Sie diese Herausforderung und wie fördern Sie bei Ihren Studierenden das selbstständige Arbeiten?

Ich lehre in dem Grenzgebiet zwischen Chemie und Biologie, beides sind stark experimentell geprägte Fächer. Die Heranführung an die wissenschaftliche Selbstständigkeit kann hier gut im Labor erfolgen. Natürlich muss man in den ersten Semestern erst die grundlegenden Techniken erlernen, aber sobald die sitzen, kann man schon aktiv mit forschungsnahen Arbeiten loslegen. Der enge Kontakt zwischen Lehrenden und den Studentinnen und Studenten im Labor erlaubt es, die eignen Ideen zu testen und auch eigene Konzepte zu entwickeln. Das wichtigste Werkzeug ist sicher das Forschungspraktikum, bei dem man in einer Arbeitsgruppe assoziiert wird und unter der Obhut von etablierten Wissenschaftlern eigene Projekte bearbeiten kann.

Hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass die Studierenden selbstständiger wurden?

Im Hinblick auf die praktische Ausbildung ist das leider nicht der Fall. Laborzeiten wurden stark gekürzt oder sogar ganz gestrichen, sodass hier ein wichtiger Schritt in die Selbstständigkeit fehlt. Was die Selbstorganisation und Planung angeht sehe ich die immensen Herausforderungen – viele wachsen an der Aufgabe, aber sicher nicht alle.

Wenn man die wissenschaftliche Selbstständigkeit der Studierenden fördert, fällt dann die Entwicklung von Teamgeist, Diskussion und wissenschaftlichem Diskurs hinten ab?

Eine Frage, die mit einem klaren „Nein!“ beantwortet werden kann. Wissenschaftliche Selbstständigkeit in experimentellen Fächern lässt sich nicht so verstehen, dass man isoliert vor sich hinarbeitet. Wissenschaftliche Selbstständigkeit äußert sich durch die Fähigkeit zur Diskussion, zur Kollaboration mit anderen und zur Arbeit im Team. Hier eigene kreative Gedanken einzubringen ist das Hauptmerkmal von Selbstständigkeit. Selbst die fortgeschrittenen Forscher in Chemie und Biologie publizieren meist nicht alleine, sondern im Team. Mir ist kaum eine Veröffentlichung in einer der wichtigen Zeitschriften bekannt, die nur einen oder zwei Autoren hat. Die Ergebnisse werden im Team und damit auch im wissenschaftlichen Diskurs erarbeitet.

Mit dem Honors-Programm für forschungsorientierte Studierende wurde an der Uni Jena die Förderung leistungsstarker Studierender aufgelegt. Für wie bedeutsam halten Sie solche Programme im Blick auf die Ausbildung der Studierenden und die Forschung der Zukunft?

Das Honors-Programm ist eine riesige Chance, natürlich in erster Linie für Studentinnen und Studenten. Es ist eine Lösung bei der aber wirklich beide Seiten gewinnen, auch wir Betreuer können von den frischen und im positiven Sinne provokativen Ideen profitieren und schon früh sehen, mit wem wir gerne in Zukunft intensiver zusammenarbeiten wollen. Ich verspreche mir disruptive Ansätze, die neue Impulse bringen.

Was können Sie Lehrenden empfehlen, die wissenschaftliche Selbstständigkeit bei Studierenden fördern möchten und welche Konzepte möchten Sie in Zukunft vielleicht noch ausprobieren?

Beobachten, Freiräume schaffen und unterstützen. Ich glaube, dass gute Lehre viel mit Zuhören und Beobachten zu tun hat. Man kann sicher keine Pauschalanweisung geben, wie man mit den neuen Talenten umgehen soll – manche arbeiten sich in die Literatur ein, andere starten Experimente mit gutem Gefühl für Neues. 

Und was ich ausprobieren will: Mit einer Gruppe Interessierter in einer marinen Forschungsstation zwei Wochen lang experimentieren – im Idealfall schon diesen September – der Termin ist im Kalender schon blockiert. Vielleicht will ja jemand nach der Lektüre mitkommen?