Eine junge Frau rechechiert auf einem Laptop. Sie sitzt auf einer Parkbank.
Foto: Christoph Worsch (Universität Jena)"Ich kaufe noch schnell ein Oberteil für heute Abend!", erklärt Henriette am Telefon ihrem Freund Paul, mit dem Sie ins F-Haus zur Ersti-Party gehen möchte. Kaum betritt sie die schwedische Modekette gegenüber vom Alten Rathaus fällt ihr der unangenehme, chemische Geruch auf. Als sie sich die Blusen und Shirts im SALE anschaut, vergleicht sie die Preise mit denen von Oberteilen, die sie in Läden gefunden hat, die ihr Augenmerk auf fair produzierte Kleidung legen. Dort kosten die Shirts mehr als fünf mal so viel. Weil Henriette nichts gefunden hat, geht sie in den Secondhand-Landen über den Markt. Ein*e Kommiliton*in hat ihr empfohlen, hier vorbei zu schauen. Die Preise sind wieder ganz anders. Henriette fragt sich, wie das zu Stande kommt und wie Kleidung produziert wird. Also beginnt sie zu recherchieren…
Fast-Fashion
Die Textilindustrie zählt zu einer der größten Industrien, die den globalen Markt beherrschen. Das liegt an dem enormen Konsum, so kaufen deutsche Konsument*innen durchschnittlich 60 Kleidungsstücke im Jahr. Gleichzeitig macht die Textilindustrie auch 10% der Treibhausemissionen weltweit aus und sorgt dafür, dass die Müllberge im globalen Süden wachsen. Das liegt vor allem an der Fast-Fashion und Ultra-Fast-Fashion, also an Modetrends, die innerhalb kürzester Zeit wieder out werden. Dafür wird viel Kleidung aus billigen Materialien zu niedrigen Kosten zu schlechten Bedingung für Gesellschaft und Umwelt hergestellt. Zu den Top-Labels der Fast-Fashion zählen Zara, H&M, Temu und nicht zu Letzt Shein.
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Konsum
Ein Party-Top, das für einen bestimmten Zweck gekauft wurde, wird durchschnittlich einmal getragen. Anschließend bleibt es lange im Schrank und/oder wird weggeschmissen. Die Konsument*innen lassen sich dabei von den Fast-Fashion-Ketten leiten, die innerhalb einer Woche neue Kollektionen designen und auf den Markt bringen. Die Kleidung besteht aus 70% Synthetikfasern, die nicht nur sehr schlecht verrotten und schwer zu recyceln sind, sondern beim Waschen Mikroplastik freisetzen. Auch die Produktion von Baumwolloberteilen, obwohl diese besser recycelbar sind, schneidet schlecht ab, da für ein Kilogramm Baumwolle etwa 15.000 Liter Wasser benötigt wird.
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Herstellung
Unsere Kleidung wird häufig in China, Indien und der Türkei zu schlechten Arbeitsbedingungen hergestellt. In bis zu 75 Arbeitsstunden pro Woche verdienen die Arbeiter*innen sehr wenig Geld. Hinzukommen gesundheitliche Schäden, bspw. durch das Färben, während auch viele weitere Arbeitsrechte vollkommen missachtet werden.
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Verbrauch
Eine große Menge Müll erstreckt sich bis zum Horizont. Der Müll besteht ausschließlich aus Kleidung.
Foto: Adobe Stock; SashaWeggeschmissene Kleidung, auch in Kleidercontainern, landen häufig in Ländern des globalen Südens, wie Kenia. Dort gelangt unsere weggeschmissene Kleidung auf großen Märkten, bspw. dem Gikomba Markt in Nairobi und wird bündelweise verkauft, um dann teurer wieder in den dortigen Handel zu landen. Meistens wird unsere alte Kleidung dort auf Deponien verbrannt, was viel CO2-Ausstößt und die Gesundheit der dort Lebenden und Arbeitenden stark belastet. Insgesamt führt dies zu einer massiven sozialen und ökologischen Krise und dazu, dass eine heimische Textilindustrie gar nicht aufkommen kann.
Verantwortungsvoller Konsum
Überrascht lehnt sich Henriette auf der Parkbank zurück. Dass der Kleidungskonsum keinen guten Ruf hat, wusste sie bereits, doch, dass die Auswirkungen auf die Umwelt, die sozialen Systeme und die Gesellschaft in den Ländern, in denen die Kleidung produziert und vernichtet wird, so umfassend schlecht sind, hätte sie nicht gedacht. Zum Glück hatte sie sich gegen den Kauf des Oberteils entschieden, sie hat noch genügend im Schrank. Soll sie nun nie wieder etwas kaufen? Und was sollen Eltern machen, deren Kinder so schnell aus ihrer Kleidung wachsen? Erneut nimmt Henriette das Handy in die Hand, um herauszufinden, wie man verantwortungsvoll konsumieren kann.
Seit der Corona-Pandemie ist die Aufmerksamkeit für einen nachhaltigen Kleidungskonsum gestiegen. Bereits jetzt hängt in den deutschen Kleidungsschränken weniger Kleidung, während mehr auf nachhaltige und faire Produktion geachtet wird. Plattformen wie "Vinted" oder "Sellpy" erfreuen sich einer großen Beliebtheit, um abgelegter Kleidung ein neues Leben zu geben. Es gibt noch weitere Optionen, die die Schäden durch Kleidung deutlich verringern:
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Second-Hand, Spenden, Tauschen
Alte Kleidung darf seit 2025 nicht mehr in den Müll geworfen, sondern muss in Altkleidercontainern entsorgt werden. Sinnvoller ist es jedoch, Kleidung zu tauschen, selbst über Plattformen der Flohmärkten zu verkaufen oder verantwortungsvoll und direkt zu spenden. Zum Tausch eignen sich Kleidungstauschpartys oder Tauschregale. Als Anreiz kann sich immer wieder bewusst gemacht werden, dass der CO2 Ausstoß von getauschter Second-Hand Mode, die nicht extra produziert wird, bei 0 liegt.
Repurpose-Shopping: AsrkariExterner Link ist ein Thüringer Startup, das ähnlich wie Sellpy funktioniert, mit dem Unterschied, dass die Gewinne in nachhaltige Projekte fließen, für die man sich als Verkäufer*in selbst entscheiden kann.
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Upcycling
Nur weil ein Shirt ein Loch hat, muss es nicht weggeschmissen werden. Dasselbe gilt für die Lieblingssocken oder den Riss im Hosenbein. Mit Hilfe von YouTube, anderen Anleitungen aus dem Internet, Reparaturcafés oder entsprechender Literatur lassen sich einfache Techniken erlernen, um das Leben der Kleidung durch eine Reparatur zu verlängern. Gleichzeitig können auch Stücke, die einem nicht mehr gefallen, umgefärbt oder durch Stick-Techniken aufgewertet werden. Besonders Spaß macht Upcycling im Rahmen von gemeinsamen Treffen, bei denen man sich gegenseitig unterstützen kann.
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Bewusstsein
Bevor ein neues Kleidungsstück gekauft wird, sollte sich bewusstgemacht werden, ob es wirklich gebraucht wird. Außerdem sollte auf Siegel geachtet werden. Folgende Fragen können helfen: Zu welchen Anlässen kann es getragen werden? Welchen Zweck erfüllt der Kauf - soll nur gerade der eigene Hunger nach Neuem gestillt werden? Wie oft wird das Kleidungsstück getragen und wird es mir auch noch in drei Jahren gefallen?
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Weniger ist mehr
Pro Jahr und Person sollten maximal drei neue Kleidungsstücke gekauft werden. Gerade Kinderkleidung, die nicht lange getragen wird, kann mit gutem Gewissen gebraucht erworben werden. Vielleicht gibt es auch Kinder im Bekanntenkreis in einem ähnlichen Alter, mit denen Kleidung getauscht werden kann?
Beim Kauf neuer Kleidung sollte man sich über das Material Gedanken machen und sorgfältig abwägen: Während Synthetikstoffe zum Teil aus recycelten Plastikflaschen besteht, jedoch nicht verrottet, verbrauchen natürliche Stoffe wie Baumwolle oder Leinen viel Wasser bei der Herstellung. Letztere sorgen jedoch für eine bessere Wärmeregulierung im Winter wie im Sommer und sind abbaubar.
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Lebensverlängerung
Nicht selten geht Kleidung kaputt, weil die Pflegehinweise nicht beachtet werden. Die Waschhinweise, welche in der Kleidung auf kleinen Labels zu finden sind, die gern abgeschnitten werden, sollten unbedingt beachtet werden. Das gilt besonders für Aufdrucke, die sonst schnell abgewaschen werden.
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Eigener Einsatz
Es gibt verschiedene Wege, sich für nachhaltigen Konsum einzusetzen. Das beginnt bereits bei dem bewussten Kauf von Öko-Labels und dem Beachten von fairer Herstellung und hört nicht bei dem sozial-politischen Kampf für ein Verbot von Fast-Fashion auf.
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Hilfreiche Links
- Escape-Games zum Thema Mode: https://exit-fast-fashion.de/escape-game/Externer Link
- Studie zu unsichtbaren Nähkräften (syrische Geflüchtete in der Türkei): https://www.ci-romero.de/wp-content/uploads/2018/06/Invisible-workers_Turkey_Fair-Action_2017.pdfExterner Link
- Kriterien für grüne Mode: https://www.ci-romero.de/gruene-mode/#1636380259910-33b97bfe-ae4eExterner Link
- Aktionshandbuch für Studierende mit hilfreichen Ideen: https://femnet.de/download/send/66-bildungsarbeit/293-aktiv-fuer-menschenrechte-in-der-mode-aktionshandbuch-fuer-studierende.htmlExterner Link
- Warum Recycling nicht die beste Lösung ist: https://www.germanwatch.org/de/90129Externer Link
- Siegelcheck: https://siegelcheck.suedwind.at/Externer Link
- Fakten und Materialien zum Thema Saubere Kleidung: https://saubere-kleidung.de/materialien/Externer Link
Neun Würfel bilden das Wort "Fastfashion". Eine Hand dreht die ersten beiden Würfel zum Wort "Slowfashion" herum.
Foto: Adobe Stock; DzmitryFazit
Henriette legt das Handy weg und ist zufrieden. In ihr sprudelt es von Ideen, die sie gleich heute Abend Paul berichten möchte. Sie weiß, dass sie nicht allein ist und möchte sich bewusster mit ihrem Kleidungskonsum auseinander setzen. Auch wenn sie nicht immer konsequent sein wird, ist sie sich sicher, dass sie viel an ihrem Verhalten ändern kann - wovon nicht nur sie gewinnt. Wichtig erscheint es ihr, realistische Ziele zu setzen und ihr Verhalten zu beobachten. Vielleicht sollte sie im Freundeskreis mal eine Kleidertauschparty veranstalten? Und was ist eigentlich mit den ganzen Oberteilen, die sie bereits im Schrank hat - braucht sie da noch ein neues?
Viele der Informationen und Tipps stammen aus einem Workshop, der im Rahmen der ersten Woche der Nachhaltigkeit in Kooperation mit Greenpeace erarbeitet wurden.