Neuberufene 2019

Rund 30 Berufungsverfahren werden jedes Jahr an der Universität Jena erfolgreich abgeschlossen. Hier finden Sie die Neuberufenen auf einen Blick.

Berufungen 2019

Martin Ammon
Jutta Bleidorn
Christina Brandt

Denomination: Geschichte der Philosophie der Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Lebenswissenschaften

zuvor: Universität Bochum

Holger Cartarius
Christine Czinglar
Veronika Engert
V. Engert
V. Engert
Foto: Max Niemann Photography

 Ein klares „Ja“ antwortet Prof. Dr. Veronika Engert auf die Frage, ob Stress ansteckend ist. „Wenn Menschen eine Stresssituation, zum Beispiel ein Prüfungsgespräch, miterleben, dann können wir unmittelbar einen erhöhten Hormonspiegel im Blut feststellen, auch wenn sie nicht selbst geprüft werden. Diese Reaktion gehört zu unserem sozialen Wesen, sie ist umso stärker ausgeprägt, desto enger wir dem Prüfling verbunden sind“, ergänzt die 44-jährige Psychologin. Sie hat seit dem vergangenen Wintersemester die Professur für Soziale Neurowissenschaft am Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Jena inne. Eines ihrer Forschungsgebiete beschäftigt sich damit, wie diese Stressübertragung vermittelt wird, zum Beispiel zwischen Mutter und Kind.

 

Ein anderer Schwerpunkt sind die Auswirkungen von chronischem Stress oder der Einfluss früher Lebenserfahrungen auf die langfristige Stressregulation. Diese Langzeitveränderungen können zu neurologischen, metabolischen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen, die auch mit dem Älterwerden assoziiert sind. Mit Hilfe labormedizinischer Untersuchungen und Hirnbildgebungsverfahren wie Magnetresonanztomographie untersucht Veronika Engert, wie Stress die Widerstandfähigkeit von Seele und Körper schwächt und warum die individuellen Unterschiede darin so groß sind. „Dabei interessiert uns besonders, wie sich mentales Training auswirkt und ob wir diese Wirkung physiologisch nachweisen können“, so Veronika Engert.

 

Schon in ihrem Psychologiestudium an der Universität Trier beschäftigte sich die Wissenschaftlerin mit den psychobiologischen Aspekten von Stress. In ihrer Promotion untersuchte sie den Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen und elterlicher Fürsorge auf die Wirkung von ADHS-Medikamenten. Nach einem mehrjährigen Forschungssaufenthalt an der McGill University in Montreal wechselte sie an das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, um auch zur Wirkung von Trainingsinterventionen zu forschen. Sie leitet hier die Forschungsgruppe „Sozialer Stress und Familiengesundheit“, die sie auch weiterhin betreuen wird.

 

In Jena findet Veronika Engert starke Kooperationspartner an Universität und Klinikum. Viele Anknüpfungspunkte sieht sie zum Beispiel für die Untersuchung der Empathie-abhängigen physiologischen Stressresonanz innerhalb der Patient-Therapeut-Beziehung oder die Fortführung der Stressinterventionsforschung auch für Patienten mit klinischen Erkrankungen, vor allem im Bereich der Alterserkrankungen. Mit Lehrveranstaltungen im Bereich der Psychoneuroendokrinologie möchte Professorin Engert Studierende sowohl in der Psychologie als auch in der Medizin für ihr Fachgebiet interessieren und sie in studentischen Projekten an die Forschungsarbeit heranzuführen. Gern ist die Mutter von drei Kindern Mentorin für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Vorbild dafür, dass sich der Koordinationsstress von Forschungstätigkeit und Familienleben bewältigen lässt.

(vdG/UKJ)

Diana Forker
Philipp Franken

Denomination: Molekulare Phytopathologie

zuvor: Humboldt Universität Berlin

Petra Frehe-Halliwell
Dietmar Gallistl
Nikolaus Gaßler
Nikolaus Gaßler
Nikolaus Gaßler
Foto: UKJ/Szabó

Ich bin nicht Pathologe geworden, sondern geblieben“, beschreibt Prof. Dr. Nikolaus Gaßler die Entscheidung für sein Fach. Gewebeuntersuchungen in der Augenmedizin und die Möglichkeit, den Patienten anhand dieser Untersuchungsergebnisse den Hergang und die Heilungsaussichten ihrer Erkrankung genau erläutern zu können, haben ihn als jungen Arzt im Praktikum fasziniert. Seit April hat der 50-Jährige die Professur für Pathologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne und leitet die Sektion für Pathologie am Universitätsklinikum Jena. Ihn reizen die fachlichen und organisatorischen Anforderungen, die der moderne interdisziplinäre Klinikbetrieb unter Einbindung externer Partner an die Pathologie stellt.

Gerade in der interdisziplinären Tumordiagnostik wächst neben der mikroskopischen Beurteilung von Zellen und Geweben die Bedeutung der molekularpathologischen Diagnostik, die in den Proben nach Veränderungen charakteristischer Gene und Genprodukten fahndet. Dies ist die Grundlage für eine umfassende „morphomolekulare Diagnose“ und sich dadurch ergebende individualisierte Therapiekonzepte. Zur Qualitätskontrolle klinischer Prozesse trägt das Tätigkeitsspektrum der Pathologie entscheidend bei. Unter anderem ist hier auch die Obduktionstätigkeit zu nennen. „Im Sinne einer zentralen klinischen Dienstleistung wollen wir die Abläufe der umfassenden diagnostischen Tätigkeit weiter optimieren und in Kooperation mit den Instituten für Humangenetik und Rechtsmedizin eine interdisziplinäre Diagnostikplattform aufbauen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Weiterführung der Digitalisierung“, so der Pathologe.    

Sein Medizinstudium absolvierte Nikolaus Gaßler in Leipzig, wo er auch promoviert wurde. Anschließend forschte er als DFG-Stipendiat an der Universität Heidelberg und absolvierte am dortigen Universitätsklinikum die Facharztausbildung in der Pathologie. Für seine Habilitation erforschte und charakterisierte Gaßler ein Enzym, das im Dünndarm eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung langkettiger Fettsäuren spielt. 2005 folgte er dem Ruf auf eine Professur an das Universitätsklinikum der RWTH Aachen, wo er als leitender Oberarzt tätig war und die stellvertretende Leitung des Instituts für Pathologie innehatte. Parallel absolvierte er ein Fernstudium der Volkswirtschaftslehre und Geschichte. Zuletzt leitete er als Chefarzt das Institut für Pathologie am Klinikum Braunschweig.

Neben Untersuchungen zum Fettstoffwechsel liegen die wissenschaftlichen Schwerpunkte von Prof. Gaßler in der Erforschung der Mechanismen von Entzündung und Tumorentstehung sowie in der Wechselbeziehung von Darmbakterien und menschlichem Organismus. Nikolaus Gaßler: „Das Mikrobiom im Darm beeinflusst die Entstehung chronischer Erkrankungen in Leber und Darm, wir beginnen gerade zu verstehen, wie. Inzwischen wissen wir auch, dass die Darmbakterien die Komposition von Signalstoffen beeinflusst, die entscheidend für zentralnervöse Funktionen sind.“ Für diese Themen sieht er ideale Anknüpfungspunkte an die Jenaer Schwerpunkte Infektion und Altern, aber auch in der medizinischen Photonik, zum Beispiel im Bereich der Fluoreszenzbildgebung. In der klinischen Forschung möchte Gaßler unter anderem die in der Jenaer Pathologie aufgebaute Expertise in der Interpretation von Weichgewebstumoren fortführen. „Die Pathologie hat naturgemäß eine Mittlerfunktion zwischen Labor und Klinik, diese Rolle wollen wir als Partner in der translationalen Forschung ausfüllen“, so Gaßler.

Dass das umfangreiche und lernintensive Fach bei den Studierenden nicht ganz so hoch im Kurs steht, tut dem Engagement des neuen Pathologieprofessors keinen Abbruch: „Die Studierenden lernen bei uns, warum und wie sich Zellen, Gewebe und Organe bei Krankheiten verändern. Es wird ihnen ein grundlegendes Krankheitsverständnis vermittelt, das letztlich unentbehrlich für ihre zukünftige ärztliche Tätigkeit ist.“ Aus Heidelberg und Aachen bringt Nikolaus Gaßler große Erfahrungen mit dem Modell- und dem reformierten Medizinstudium mit, die er in das neigungsorientierte Studium in Jena einfließen lassen möchte.

(vdG)

Johannes Grave
Michael Habeck
Michael Habeck
Michael Habeck
Foto: Michael Szabó/UKJ

Mit hochauflösenden mikroskopischen Methoden und empfindlichsten Messverfahren dringen Lebenswissenschaftler bis auf das Niveau einzelner Moleküle in die Zellen vor, um sich ein Bild von biologischen Strukturen und ihrer Funktion zu machen. Die gewonnenen Bild- und Messdaten sind jedoch meist indirekt, zu unscharf oder schlicht zu wenige, um daraus unmittelbar beispielsweise auf die dreidimensionale Gestalt eines Proteinmoleküls schließen zu können. Dafür bedarf es aufwendiger Algorithmen und Analysetools, die spezifisch für die Problemstellung entwickelt werden müssen.

Als Professor für Mikroskopische Bildanalyse vertritt Michael Habeck seit dem Wintersemester dieses Forschungsgebiet am Universitätsklinikum Jena. Die experimentellen Daten erhebt er nicht selbst, sondern er ist Partner der biomedizinischen Arbeitsgruppen. Sein Arbeitsgerät ist der Hochleistungsrechner. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert die Einrichtung seiner neuen Arbeitsgruppe mit 1,5 Millionen Euro für fünf Jahre.

"Wir entwickeln Berechnungsmethoden, die Konzepte der Wahrscheinlichkeitstheorie, der physikalischen Statistik und des maschinellen Lernens verwenden", erklärt Prof. Dr. Michael Habeck. Als Beispiel nennt er die Strukturaufklärung von Proteinfasern auf der Oberfläche von Bakterien, die das Anheften an Wirtszellen bei Harnwegsinfekten ermöglichen. Mit verschiedenen resonanzspektroskopischen und elektronenmikroskopischen Messungen rückten Wissenschaftler den Eiweißfädchen zu Leibe. Michael Habeck führte die Daten in einem iterativen Rechenalgorithmus zusammen, der schließlich eine detaillierte Beschreibung der Fasergestalt erlaubte. "Das Prinzip konnten wir auch schon für andere Analysemethoden wie die Röntgenkristallografie oder Kryo-Elektronenmikroskopie anwenden und möchten es für weitere Mess- und Bilddaten erweitern", so Habeck.

Nach seinem Physikstudium in Siegen und Heidelberg arbeitete Michael Habeck am European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg und am Institut Pasteur in Paris. Er wurde in der Biophysik an der Universität Regensburg promoviert und forschte anschließend an Max-Planck-Instituten in Tübingen. Mit Förderung der DFG gründete er dort eine Emmy-Noether-Arbeitsgruppe, mit der er an die Universität Göttingen wechselte. Zuletzt leitete er eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen.

In Jena möchte Professor Habeck die Entwicklung neuer Mikroskopietechniken durch innovative Tools zur Bildanalyse ergänzen. In der Jenaer Forschungslandschaft mit ihren Stärken in den Lebenswissenschaften, der Optik und Photonik sowie im wissenschaftlichen Rechnen sieht er dafür beste Bedingungen. "Die spezialisierte Arbeitsgruppe von Professor Habeck, die wir dank der Unterstützung der Carl-Zeiss-Stiftung einrichten können, verbindet die Lebenswissenschaften noch stärker mit den mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundlagenfächern. Mit Methodenkursen und Seminaren für Studierende und Promovierende wird sie auch ihr Lehrangebt interdisziplinär gestalten", betont Prof. Dr. Andreas Hochhaus, Prodekan für Forschung an der Medizinischen Fakultät, die die Finanzierung nach der fünfjährigen Förderung übernimmt.

vdG

Christian Jogler
Christian Jogler
Christian Jogler
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Wenn Christian Jogler sich einem neuen Forschungsobjekt nähert, dann tauscht er für gewöhnlich den Laborkittel gegen einen Neopren­anzug und taucht ab. Der 42-jährige Mikrobiologe ist spezialisiert auf im Wasser lebende Bakterien, sogenannte Plancto­myceten. Diese Mikroorganismen spürt Jogler in Meeren, Ozeanen oder Binnengewässern auf. Künftig wird er für seine Streifzüge zu Korallenriffen, Tangwäldern oder Süßwasser­schwamm­kolonien vom thüringischen Jena aus starten: Der wasseraffine Forscher ist in diesem Wintersemester von der Radboud University Nijmegen (Niederlande) an die Friedrich-Schiller-Universität gewechselt und hat hier die neue Professur für Mikrobielle Interaktionen übernommen.

Obwohl Jena ein paar Hundert Kilometer vom nächsten Küstenstreifen entfernt liegt, findet Christian Jogler an der Friedrich-Schiller-Universität ein für seine Forschung perfektes Um­feld. "Was die Mikrobiologie in Jena auszeichnet, sind ihre Vielfalt und die enge Vernetzung in andere Disziplinen", unterstreicht er. Die Mikrobiologie ist eine zentrale Säule des For­schungs­profils der Universität. "Vor allem die Kombination der Profillinien Light und Life passt für mich und mein Team optimal." Im Uni-Institut für Mikrobiologie, "einem der deutschlandweit größten und renommiertesten überhaupt", aber auch im Exzellenzcluster "Balance of the Microverse"Externer Link und außeruniversitären Jenaer Forschungseinrich­tungen findet Jogler zahlreiche neue Kooperationspartner und Anknüpfungs­punkte für neue Projekte.

So etwa bei seinen Forschungen zu neuen Naturstoffen, wie Antibiotika. "Neue Antibiotika werden dringend gebraucht", weiß Christian Jogler und erklärt: "Fast drei Viertel aller heute klinisch relevanten Antibiotika sind von Bakterien gebildete Naturstoffe." Chris­tian Jogler und sein Team haben sich unter anderem deshalb auf die Planctomyceten spe­zialisiert, weil sie in ihnen zahlreiche bislang unbekannte Wirkstoffe vermuten. Viele der heute bekannten Planctomyceten leben im Wasser: Auf Pflanzen, Steinen oder Schwämmen bilden sie in Gemeinschaft mit anderen Mikroorganismen Biofilme. Was diese Bakterien für die Wissenschaft so interessant macht, ist, dass sie große, kom­plexe Genome und außerge­wöhn­liche Stoffwechsel aufweisen. "Das sind genau die Voraussetzungen, die Mikroorga­nismen erfüllen, die Naturstoffe wie Antibio­tika produzieren", sagt Jogler.

Auch wenn die Entdeckung neuer Wirkstoffe für die Medizin ein immenses Anwendungs­potenzial ist, Christian Jogler sieht sich in erster Linie als Grundlagenforscher. "Mich inter­essieren vor allem umweltmikrobiologische Aspekte der Planctomyceten. Wo kommen sie vor? Mit wem interagieren sie?" Aber auch die Zellbiologie der Planctomyceten sei ein Fokus seiner Forschung. Um die inneren Strukturen und Zellprozesse der Bakterien zu untersuchen, nutzt Prof. Jogler hochauflösende mikroskopische und modernste Gen­sequenzierungsme­thoden — und bereichert damit die Jenaer Expertise in diesem Bereich. Unter anderem möch­te er die "Stochastic Optical Reconstruction Microscopy" — kurz STORM — in seinem neuen Jenaer Institut nutzen. Dieses hochauflösende Mikroskopieverfahren hat er bereits wäh­rend seiner Zeit als Postdoc an der Harvard Medical School in Boston kennengelernt, wo es 2006 entwickelt wurde. Jogler war 2010 bis 2012 mit einem Marie-Curie-Stipendium der Europäischen Kommission in Boston.

Weitere Stationen seines Karriereweges waren die Deutsche Sammlung von Mikroorganis­men und Zellkulturen (DSMZ) in Braunschweig von 2012-2016, die Ludwig-Maximilians-Universität München (2007-2009) und das Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen (2005-2006). Christian Jogler hat an der Universität Kaiserslautern Biologie stu­diert und wurde 2005 an der Ruhr-Universität Bochum promoviert.

(Schönfelder)

Anika Klafki
Anika Klafki
Anika Klafki
Foto: privat/Klafki

Denomination: Öffentliches Recht, insbesondere transnationales Verwaltungsrecht

zuvor: Bucerius Law School Hamburg

Robert Kretschmer
Christian Kreuder-Sonnen
Kai Lawonn
Kai Lawonn
Kai Lawonn
Foto: privat/Lawonn

Er ist undotiert, gehört aber in der Visualisierungsforschung zu den wichtigen Preisen: der EuroVis Young Researcher Award. In diesem Jahr erhält Prof. Dr. Kai Lawonn von der Universität Jena die Auszeichnung, mit der ihm bestätigt wird, dass er durch herausragende wissenschaftliche Beiträge zur Visualisierungsforschung in Europa beigetragen hat. Der Preis wird ihm am 25. Mai auf der Fachkonferenz „Eurographics & Eurovis 2020“ übergeben, die angesichts der Corona-Pandemie virtuell stattfindet. „Ich hoffe, dass der Preis dazu beitragen wird, mehr Aufmerksamkeit auf den Bereich der Visualisierung zu lenken“, sagt Lawonn. „Er soll mehr junge Menschen dazu ermutigen, Informatik zu studieren und sich an diesem aktiven Forschungsfeld zu beteiligen.“

Kai Lawonn ist seit kurzem Juniorprofessor für Visualisierung und explorative Datenanalyse der Universität Jena. Der 34-jährige Informatiker arbeitet daran, riesige Datenmengen mit Hilfe von Algorithmen in leicht begreifbare Modelle zu überführen. Die von Prof. Lawonn entwickelten Programme kommen u. a. in der Medizin zum Einsatz. So entwarf er eine verbesserte Darstellung cerebraler Aneurysmen. Das sind ballonartige Ausbeulungen an Gefäßen im Kopf, bei denen Blut gegen die Gefäßwand drückt und die zum Tod führen können, wenn sie platzen: „Die Ursachen für das Platzen sind zwar noch nicht restlos geklärt, aber man geht davon aus, dass die Größe, die Morphologie und der Blutfluss der Gefäße entscheidend sind“, erläutert Lawonn. Jedoch können herkömmliche Bildgebungsverfahren, etwa das MRT, diese Faktoren nicht gut abbilden. „Hier kommen ich und mein Team ins Spiel: Wir erzeugen am Computer ein 3D-Modell, dem Ärzte schnell die wichtigsten Informationen entnehmen können.“

Auch in Jena befasst sich Lawonn hauptsächlich mit der medizinischen Visualisierung, die Ärzten bei der Diagnose oder der Operationsplanung helfen soll. Dafür arbeitet er eng mit dem Universitätsklinikum und anderen Universitäten zusammen. Mit einem neuen Programm will das Forschungsteam zuverlässig die Wahrscheinlichkeit bestimmen, ob ein Patient einen Schlaganfall erleidet oder nicht. „Auch dabei berücksichtigen wir viele verschiedene Faktoren wie Patienteninformationen, Gefäßmorphologie und Blutflusseigenschaften, deren Zusammenspiel zu einer verbesserten Voraussage führen soll“, so Lawonn.

Lawonns Expertise ist aber auch in ganz anderen Gebieten gefragt. So kam seine Software im Magdeburger Dom zum Einsatz, um dort ein über 800 Jahre altes Bildnis des damaligen Königs Otto wieder sichtbar zu machen. Dazu nahm er den verfallenen Putz zunächst mit einer stereoskopischen Kamera auf und berechnete dann mit Algorithmen ein topologisches Modell. Durch die räumliche Darstellung ließen sich die Putzritzungen des Kunstwerks schließlich rekonstruieren. „Es ist vor allem diese Zusammenarbeit mit verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die mir an meinem Beruf so viel Spaß bereitet“, sagt Lawonn. „So lerne ich andere Perspektiven kennen und werde stets mit abwechslungsreichen Forschungsfragen konfrontiert.“

Kai Lawonn studierte Mathematik in seiner Heimatstadt Berlin. Danach wagte er den Sprung in die verwandte Disziplin der Informatik, obwohl er zuvor wenig Programmiererfahrung besaß. Das Experiment gelang: In Magdeburg promovierte er zum Thema „Illustrative Visualisierung medizinischer Datensätze“. Im Anschluss begann er seine Juniorprofessur an der Universität Koblenz-Landau und habilitierte parallel dazu – das alles in beeindruckender Geschwindigkeit. In Jena will er seine Leidenschaft für die Informatik auch in die universitäre Lehre einbringen. „Für meine Studierenden werde ich immer ein offenes Ohr haben“, verspricht Lawonn. „Außerdem will ich mich dafür einsetzen, dass sie das Gelernte direkt anwenden können.“

(T. Bayer)

Viktor Leis
Florian Meier
Florian Meier
Florian Meier
Foto: Michael Szabó/UKJ

Die Serviceingenieure sind eben erst fertig geworden mit dem Aufbau eines Hochleistungsmassenspektrometers im Forschungszentrum des Klinikums in Lobeda. Diese Analysetechnik der neuesten Generation ist das Arbeitsgerät von Florian Meier, der die neue Juniorprofessur für funktionelle Proteomanalyse an der Medizinischen Fakultät Jena innehat. Der Biochemiker etabliert mit seiner Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum eine Methodik der Proteomanalyse, die in einer einzelnen Probe mehrere tausend Proteine gleichzeitig erfassen kann. Zu dem Verfahren gehören eine hochspezialisierte Probenvorbereitung, die die Eiweißmoleküle erst für die massenspektrometrische Messung verfügbar macht, und eine aufwändige bioinformatische Auswertung.

 

„Während das Genom quasi das Rezeptbuch für die Proteine darstellt, erfassen wir mit der Proteomanalyse, welche Enzyme, Signaleiweiße und Strukturproteine wirklich gekocht wurden und wie viele davon“, erklärt Professor Meier. „Das erlaubt Proteomprofile von Zellen oder Gewebeproben zu vergleichen, Signalwege zu analysieren und ganze Netzwerke von Protein-Protein-Wechselwirkungen aufzuklären. So kann ein detailliertes Verständnis von Gesundheit und Krankheit auf der molekularen Ebene entstehen.“ Als Beispiel nennt Florian Meier die Suche nach potentiellen Biomarkern im Blut oder die Erforschung von Resistenzen in der Krebstherapie.

 

Der gebürtige Saarländer hat an der Universität Saarbrücken Chemie studiert und bereits während seines Masterstudiums Forschungsaufenthalte in Kanada und den USA absolviert. Anschließend forschte er am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried und promovierte mit seiner Arbeit zur massenspektroskopischen Proteomanalyse an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Als Doktorand durfte er an der Nobelpreisträgertragung in Lindau teilnehmen und wurde unter anderem mit dem Wolfgang-Paul-Studienpreis der Deutschen Gesellschaft für Massenspektrometrie ausgezeichnet. Zuletzt arbeitete Florian Meier als PostDoc in Martinsried und leitete dort die Technologieentwicklung in der Abteilung Proteomics und Signaltransduktion.

 

Mit seiner neuen Arbeitsgruppe am UKJ wird Florian Meier seine methodische Expertise in vielfältige Kooperationen einbringen. Beispielsweise will er mit Forscherteams in der Onkologie das Proteom von Tumor- und Leukämiezellen untersuchen, um die Heterogenität von Tumorzellen oder therapieresistente Leukämieformen besser zu verstehen. Entsprechend der jeweiligen biomedizinischen Fragestellungen entwickelt er die Methodik weiter und baut die funktionelle Proteomanalyse als Technologieplattform für translationale Forschung am UKJ auf.

(vdG)

Sander Münster
Sander Münster
Sander Münster
Foto: privat/Michael Kretzschmar, 2019

Wo einst eine mächtige Eiche Schatten spendete und Passanten zum Verweilen einlud, stehen heute ein Einkaufszentrum und Thüringens höchstes Bürogebäude. Die engen Gassen des mittelalterlichen Stadtkerns, in der Nähe der Stadtmauer mit ihren Wehrgängen und dem einzigen erhaltenen Stadttor, sind einer Freifläche mit Parkplatz gewichen und moderne Betonarchitektur prägt die Straßenzüge rund um den historischen Stadtkern.

So wie in Jena, der Stadt von der hier die Rede ist, wandeln Städte ihr Aussehen im Laufe der Zeit überall auf der Welt. Aus der Gegenwart dennoch einen lebendigen Eindruck der jeweiligen Stadtgeschichte zu vermitteln, der es ermöglicht, mit allen Sinnen in die Vergangenheit einzutauchen, das ist das Ziel von Junior-Prof. Dr. Sander Münster. Der 39-jährige Historiker ist vor kurzem von der TU Dresden an die Friedrich-Schiller-Universität Jena gewechselt und hat hier die neu eingerichtete Professur für Digital Humanities mit Schwerpunkt Bild- und Objektdaten übernommen.

In einem ersten kleinen Lehrprojekt lässt Sander Münster derzeit den historischen Eichplatz im Zentrum Jenas für einen virtuellen Rundgang wieder auferstehen. Der Einsatz von Visualisierungstechnologien zur Erforschung und Vermittlung von Geschichte ist ein Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit. Und das nicht nur für das vergleichsweise kleine Jena. In einem europäischen Großprojekt wollen Münster und ein Konsortium von mehreren tausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern etwa 2.000 Jahre europäische Geschichte lebendig machen. Time MachineExterner Link – die Zeitmaschine – heißt der wissenschaftliche Verein der zur Umsetzung dieser Vision gegründet wurde und in dem knapp 700 Institutionen aus 34 Ländern Mitglied sind. Sander Münster ist Generalsekretär dieses Vereins und leitet die deutsche Koordinierungsstelle.

In diesem Projekt geht es darum, mittels großskaliger schneller Digitalisierungsverfahren, historische Wissensbestände zu erfassen und zu erschließen, um sie für Nutzer vierdimensional – also räumlich und zeitlich – erlebbar zu machen und damit im Wortsinne Zeitreisen zu ermöglichen“, erläutert Sander Münster. Das auf zehn Jahre angelegte Forschungsprojekt ziele darauf ab, Big Data der Geschichte zu generieren und die soziale, kulturelle und geographische Entwicklung Europas seit der Antike abzubilden. Jeder Interessierte kann sich damit per Internetbrowser in die Vergangenheit quer über den Kontinent begeben – von Amsterdam über Budapest bis Venedig und Jerusalem.

Vor seinem Wechsel an die Universität Jena war Sander Münster in Dresden tätig. An der Technischen Universität hat er Wirtschaft, Geschichte und Pädagogik studiert, bevor er im Bereich Bildungstechnologie promoviert wurde. Seine Doktorarbeit zu virtuellen geschichtswissenschaftlichen 3D-Rekonstruktionen hat er 2014 beendet. Seit 2018 läuft an der Universität Regensburg sein Habilitationsvorhaben zum Thema „Digital 3D technologies for humanities research and education“. Neben seiner akademischen Laufbahn betreibt er seit 15 Jahren auch eine eigene kleine Firma, die wissenschaftliche Visualisierungen und 3D-Simulationen anbietet.

Nach Jena zog ihn unter anderem die starke geisteswissenschaftliche Forschung hier an der Universität, „aus der sich die Digital Humanities speisen.“ Außerdem reizt Münster die Perspektive, hier gemeinsam mit einer weiteren neuen Professur zu Digital Humanities einen größeren Forschungsschwerpunkt für die Universität aufzubauen.

(U. Schönfelder)

Hyhen Nguyen

Denomination: Finanzmarktökonomik

zuvor: Universität Nottingham (UK)

Manuela Nowotny
Prof. Dr. Manuela Nowotny
Prof. Dr. Manuela Nowotny
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Laubheuschrecken hören mit den Vorderbeinen. Genauer gesagt: Die Ohren der Tiere befinden sich unterhalb des „Knies“ in den Vorderbeinen. Dennoch hören die Heuschrecken nach dem gleichen mechanischen Prinzip wie Menschen. „Die Aufnahme des Schalls und das Weiterleiten zur Reizverarbeitung sind bei den Heuschrecken nicht viel anders als bei uns“, sagt Dr. Manuela Nowotny. Die Jenenserin hat seit kurzem die Professur für Tierphysiologie an der Universität Jena inne.

Aktuell untersucht Manuela Nowotny Laubheuschrecken der Arten Mecopoda elongata, Ancylecha fenestrata und Stilpnochlora couloniana. Insgesamt gibt es ca. 7.000 Arten. Die Tiere stammen ursprünglich aus Südostasien und Mittelamerika, es sind Regenwaldbewohner. Für die Forschung sind sie geeignet, weil ihr Hörapparat zwar nach den gleichen mechanischen Prinzipien wie der menschliche arbeitet, dabei aber viel einfacher strukturiert ist. „Eine der Arten hat exakt 45 Sinneszellen, beim Menschen sind es mehrere tausend“, sagt Nowotny. Bei einer anderen Art haben die Männchen 110, die Weibchen nur 80 Sinneszellen. Das Mehr an Zellen bei den Männchen dient zum Empfang und Verarbeitung jener Frequenzen, mit denen die Weibchen singen. Wobei Singen ein wenig übertrieben ist: Die Töne entstehen, indem die Tiere ihre Flügel aneinander reiben. Üblicherweise stimmen die Tiere ihren Gesang zu festen Zeiten an. Eine der untersuchten Arten beginnt um 16 Uhr: das ist die Zeit, bei der im Regenwald die Nacht hereinbricht. Andere Heuschrecken singen um Mitternacht. Manuela Nowotny sagt, dass die Weibchen dieser Art zudem nur sehr kurz zu vernehmen sind. Angesichts der Geräuschkulisse im nächtlichen Regenwald vollbringen die Männchen also wahre Höchstleistungen. Ihr Fortpflanzungserfolg ist offensichtlich an gutes Hören gekoppelt.

In Jena möchte Manuela Nowotny eng mit dem Universitätsklinikum zusammenarbeiten. Ein Ziel der Kooperation ist es, einen objektiven Test für Tinnitus zu entwickeln. Für Manuela Nowotny schließt sich gewissermaßen ein Kreis. Denn für ihre Promotion 2005 in Tübingen hat sie die Innenohrmechanik von Säugetieren am Beispiel des Meerschweinchens untersucht.
Studiert hat die 43-jährige Biologin in Jena, mit Studienaufenthalten in Graz und Berlin. Dann ging sie 2001 nach Tübingen, wo sie in einer Forschungsabteilung der universitären HNO-Klinik arbeitete und an der Eberhard Karls Universität Tübingen 2005 promovierte. Nächste Station war die Goethe-Universität in Frankfurt/M., hier folgte 2015 die Habilitation über biomechanische und physiologische Mechanismen im Innenohr. Forschungsaufenthalte führten sie u. a. nach Cambridge in England und an die Columbia University in New York. „In Cambridge standen Wissensaustausch und Methodenlehre auf dem Programm, in New York habe ich viel über Flüssigkeitsdynamik im Innenohr gelernt“, sagt Manuela Nowotny.

Bei der Forschung an Säugetieren dienen Mäuse und Mongolische Wüstenrennmäuse als Modellorganismen. Immer wieder wird überprüft, ob sich die Befunde ihres Hörapparates auf das komplexe Hörsystem des Menschen übertragen lassen. Dabei müssen Manuela Nowotny und ihr Team Methoden entwickeln, mit denen sich die Tiere „befragen“ lassen, was sie hören. So gibt es beispielsweise einen Test, der den Forschern anzeigt, ob die Tiere tatsächlich einen Tinnitus entwickelt haben. Den Tieren wird ein variabler Dauerton vorgespielt, dem ein plötzliches lautes Geräusch folgt. „Wenn sie tatsächlich Tinnitus haben, erschrecken sie anders als mit intaktem Gehör“, sagt Manuela Nowotny.

Die Entscheidung, nach Jena zurückzukehren, fiel der Mutter zweier Kinder nicht schwer. „Um zoologisch-evolutionär zu forschen, ist Jena eine ganz besondere Adresse“, sagt Prof. Nowotny. Noch werden ihre Labore eingerichtet, die Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern läuft und ihr Mann und die Kinder ziehen in Kürze an die Saale. Die Laubheuschrecken leben sich bereits in der neuen Umgebung ein.

(Laudien)

Kai Papenfort
Kai Papenfort
Kai Papenfort
Foto: privat/Papenfort

Cholera ist eine lebensbedrohende Erkrankung. Sie verursacht Bauchkrämpfe, Erbrechen und heftigen Durchfall. Auslöser ist das Bakterium Vibrio cholerae, das meist über kontaminiertes Trinkwasser in den Darm eines Menschen gelangt. Allerdings führt nicht jede Besiedelung mit V. cholerae automatisch dazu, dass ein Mensch an Cholera erkrankt. Das passiert nur, wenn sich eine hinreichend große Menge an Choleraerregern im Darm zu einem dichten Biofilm zusammengefunden hat. Dann produzieren die Erreger auf einen Schlag das giftige Choleratoxin und die Krankheit nimmt ihren Lauf.

Doch woher wissen die Bakterien, ob sie zahlreich genug sind, um die Immunabwehr des Wirtsorganismus zu überwinden? „Dafür nutzen die Erreger eine Art chemisches Zählwerk“, weiß Prof. Dr. Kai Papenfort von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und erklärt: „Sie produzieren Signalmoleküle und geben diese in ihre Umgebung ab“, so der Mikrobiologe, der in diesem Wintersemester von der Ludwig-Maximilians-Universität München an die Uni Jena gewechselt ist. Da die Bakterien diese Moleküle nicht nur selbst produzieren, sondern über Rezeptoren auch aus der Umgebung wahrnehmen können, erhalten sie so Informationen über die Zelldichte ihrer Population. Und je nach Zelldichte regulieren die Mikroben ihr Verhalten. Diese Form der chemischen Kommunikation unter Einzellern bezeichnen die Forscher als „Quorum Sensing“.
Neues Konzept von Antibiotika

In seinem neuen Labor auf dem Jenaer Beutenberg-Campus versucht Prof. Papenfort mit seinem Team diese Art des chemischen Small Talks der Cholerabakterien zu entschlüsseln.

"Wenn wir die Sprache der Mikroorganismen sprechen, könnten wir zum Beispiel verhindern, dass die Cholerabakterien ihr Virulenzprogramm starten, weil wir ihnen vormachen, dass sie noch nicht genügend Artgenossen um sich versammelt haben“, sagt der 38-Jährige. Wer die Regeln des „Quorum Sensing“ beherrscht, so ist Papenfort überzeugt, hat die Möglichkeit, ein vollkommen neues Konzept von Antibiotika zu entwickeln. Und das nicht nur gegen Cholera. Auch Salmonellen, Staphylokokken oder Pseudomonaden ließen sich durch „chemisches Zureden“ davon abbringen, Krankheiten auszulösen.

Das Thema „Quorum Sensing“ hat Kai Papenfort aus den USA mitgebracht, wo er von 2012 bis 2015 an der Universität Princeton im Team von Bonnie Bassler gearbeitet hat, „einer Pionierin auf diesem Gebiet“. Und auch hier in Jena hat er mit seinen grundlegenden Forschungsarbeiten zur mikrobiellen Kommunikation bereits zahlreiche Anknüpfungspunkte gefunden. „Die Universität Jena ist mit ihrem Microverse-Exzellenzcluster dafür bestens aufgestellt“, betont er. Auch zu Arbeitsgruppen des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie, das sich in direkter Nachbarschaft am Beutenberg befindet, hat Papenfort bereits gute wissenschaftliche Kontakte. Ausgezeichnete Voraussetzungen also für intensiven Austausch – und nicht nur für die mikrobielle Kommunikation.

Überzeugt, den Ruf der Friedrich-Schiller-Universität anzunehmen, hat den jungen Familienvater neben der starken mikrobiologischen Forschung in Jena auch das familienfreundliche Umfeld in Stadt und Universität. „Für mich und meine Partnerin, die auch als Wissenschaftlerin arbeitet und eine eigene Forschungsgruppe leitet, war es ganz wichtig, dass wir für unsere Tochter hier eine gute Kinderbetreuung finden“, sagt Papenfort. Die Dreijährige besucht jetzt die Kita auf dem Beutenberg, nur einen Steinwurf vom Institut entfernt.

Kai Papenfort hat in Marburg Biologie studiert und sich bereits in seiner Diplomarbeit auf Mikrobiologie und Molekularbiologie fokussiert. Nach dem Studium ging er ans Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, wo er sich in das damals ganz neue Forschungsfeld der regulatorischen RNA-Moleküle einarbeitete. Bis heute sind diese, die Genaktivität von Bakterien kontrollierenden, Moleküle ein weiterer Forschungsschwerpunkt von ihm – nicht zuletzt, weil sie auch beim „Quorum Sensing“ eine Rolle spielen. 2010 wurde er an der Humboldt-Universität Berlin promoviert und wechselte anschließend als Postdoc an die Universität Würzburg und 2012 mit einem Stipendium des Human Frontiers Science Programms nach Princeton. Im Jahr 2015 kehrte er nach Deutschland zurück, zuerst nach München und jetzt nach Jena.

Für seine Forschungsarbeiten ist Prof. Papenfort bereits mit zahlreichen Förderungen und Preisen gewürdigt worden, u. a. mit einem Postdoktorandenpreis der Robert-Koch-Stiftung (2014), einem Starting Grant des European Research Councils (2017) und als Scholar der Vallee Foundation (2019).

(Schönfelder)

Simon Runkel
Thomas Scharinger
Jan Schirawski
Giancarlo Soavi
Cord Spreckelsen
Cord Spreckelsen
Cord Spreckelsen
Foto: Heiko Hellmann/UKJ

Laborwerte, Vergütungssätze, Arzneimittelwechselwirkungen oder Klinikdienstpläne – Art und Umfang der Daten, die im Gesundheitswesen erfasst, verarbeitet und übermittelt werden, nehmen ständig zu. Dass diese Informationen in der richtigen Form, im richtigen Moment und an der richtigen Stelle verfügbar sind, ist Gegenstand der Medizininformatik. „Das Fach verbindet die wissenschaftlichen Methoden der Informatik mit den medizinischen Inhalten und IT-Anwendungen in der Gesundheitsversorgung“, so Prof. Dr. Cord Spreckelsen, seit Juli Professor für Medizininformatik am Universitätsklinikum Jena. Seine zukünftig vierköpfige Arbeitsgruppe ist am Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften angesiedelt.

Einer der wichtigsten Partner des 54-jährigen Medizininformatikers wird das SMITH-Konsortium sein, ein vom Bundesforschungsministerium geförderter Verbund, an dem das Jenaer Uniklinikum und die Friedrich-Schiller-Universität beteiligt sind. Die Verbundpartner entwickeln Methoden und Infrastrukturen, um Routinedaten aus der Krankenversorgung für die patientenorientierte Forschung zu nutzen. Damit Daten aus verschiedenen Dokumentationssystemen verarbeitet und sinnvoll interpretiert werden können, müssen sie bestimmte Voraussetzungen an die Qualität der Informationen und deren semantische Interoperabilität erfüllen. Diese inhaltliche Integration von Daten ist ein wissenschaftlicher Schwerpunkt von Cord Spreckelsen: „Bei der automatisierten Zusammenführung klinischer Daten kommen angesichts der Komplexität der medizinischen Terminologie und sich mitunter ändernder Klassifikationsstandards auch Methoden der künstlichen Intelligenz einschließlich maschineller Lernverfahren zur Einsatz.

Das gilt ebenso für die Umsetzung von medizinischem Wissen für eine digital assistierte Entscheidungsfindung. „Dabei nutzen wir nicht nur etablierte Methoden, sondern entwickeln die Methodik für medizininformatische Fragestellungen weiter“, betont Spreckelsen. Als einen weiteren Schwerpunkt nennt er die Analyse von Verbrauchsmengen, Materialströmen und Auslastungszahlen im Klinikbetrieb mit dem Ziel einer verbesserten Ressourcen- und Prozessplanung, zum Beispiel um weniger Material nach Ablauf des Verfallsdatums ungenutzt entsorgen zu müssen. Ein zentrales Thema sei natürlich auch der Datenschutz. „Wir verwenden und entwickeln Verfahren, um Daten für Forschungsfragestellung nutzen zu können, ohne dass dabei der Bezug zu einzelnen Personen hergestellt werden kann“, sagt Cord Spreckelsen, und erklärt gleich am Beispiel, wie kompliziert das ist: „Wenn die Daten nur genug genetischen Code enthalten, dann lassen sie sich gar nicht mehr anonymisieren.

Cord Spreckelsen hat in Heidelberg Physik studiert und ist über einen Studentenjob zur Medizininformatik gekommen. Als Doktorand wechselte er dann an das Uniklinikum Aachen und wurde in der Informatik promoviert. Am Institut für Medizinische Informatik der RWTH Aachen leitete er die Abteilung „Wissensbasierte Systeme“ und beschäftigte sich in seiner Habilitation mit dem Wissensmanagement medizinischer Lehr- und Lernangebote. Zuletzt arbeitete er als stellvertretender Institutsdirektor und war auf Aachener Seite an den SMITH-Projekten beteiligt.

E-Learning und computerunterstützte Ausbildung sind aber nicht nur ein Forschungsschwerpunkt, das Lehren selbst liegt Professor Spreckelsen am Herzen. Deshalb absolvierte er ein zusätzliches Masterstudium in Medizindidaktik und engagiert sich für innovative Lehrformate  - mit großem Erfolg, wie mehrere Lehrpreise belegen. „Das Medizinstudium muss die künftigen Ärzte und Ärztinnen auf den hohen Grad der Digitalisierung in Kliniken und Praxen vorbereiten“, ist er überzeugt, „die Studierenden fordern das auch ein.“ Geplant sind auch neue Module mit medizininformatischen Inhalten, um Studierende der Informatik stärker für das Fach zu interessieren.

(vdG)

Martin Walter
Oksana Yakimova
Sina Zarrieß
Sina Zarrieß
Sina Zarrieß
Foto: privat/Zarrieß

Denomination: Digital Humanities mit Schwerpunkt Maschinelles Lernen und Sprachtechnologie

zuvor: Universität Bielefeld

Julie Zedler
Julie Zedler
Julie Zedler
Foto: privat/Zedler

Der „rote Faden“ in Julie Zedlers wissenschaftlicher Arbeit ist — grün. Die Nachwuchsforscherin hat sich auf einzellige, photosynthetische Mikroorganismen spezialisiert. Als Biologin erforscht sie Cyanobakterien und ist vor wenigen Monaten an die Friedrich-Schiller-Universität Jena berufen worden. Hier hat Julie Zedler nun die Juniorprofessur für Synthetische Biologie photosynthetischer Organismen inne.

Cyanobakterien kommen sowohl im Süß- als auch im Salzwasser vor. Es gibt mehrere Tausend Arten dieser Einzeller, die buchstäblich von Luft und Licht leben. „Diese Mikroorganismen betreiben Photosynthese, das heißt, sie fixieren Kohlendioxid (CO2) und produzieren daraus organisches Material“, erläutert Julie Zedler. Wichtiger Nebeneffekt: Bei der Photosynthese entsteht der für uns und andere Organismen lebensnotwendige Sauerstoff. „Für etwa die Hälfte der globalen Sauerstoffproduktion ist marines Plankton verantwortlich, einen großen Anteil daran haben Cyanobakterien“, unterstreicht Prof. Zedler die große Bedeutung dieser winzigen Organismen.

Die gebürtige Stuttgarterin befasst sich seit gut zweieinhalb Jahren mit Cyanobakterien, seit sie 2017 mit einem Marie Skłodowska-Curie Fellowship als Postdoc an die Universität Kopenhagen kam. Während ihres dortigen Forschungsaufenthaltes widmete sie sich vor allem der Molekularbiologie dieser Einzeller. „Bisher ist noch gar nicht im Detail verstanden, was Cyanobakterien eigentlich alles können“, sagt Zedler. „Klar ist jedoch, dass sie die Fixierung von CO2 deutlich effizienter betreiben als etwa grüne Pflanzen.“

Die Wissenschaftlerin und ihr Team wollen deshalb herausfinden, wie das den Cyanobakterien gelingt und wie sich diese Prozesse nutzen lassen. „Unsere Idee ist es, Cyanobakterien als ,Zellfabriken’ zu verwenden und sie beispielsweise dazu zu bringen, das fixierte CO2 in etwas umzusetzen, das für uns Menschen von Nutzen ist.“ Statt einfach Biomasse zu produzieren, könnten die Mikroben also zum Beispiel bestimmte Enzyme oder Naturstoffe herstellen. In ihrem Forschungslabor untersucht Julie Zedler dafür natürliche und gentechnisch modifizierte Bakterienkulturen. „Erst einmal ist das Grundlagenforschung“, erläutert sie. Ein grundlegendes Verständnis der Stoffwechselprozesse sei jedoch die Voraussetzung für die systematische und gezielte Entwicklung der kleinen „Zellfabriken“.

Angefangen hat Julie Zedler ihre Karriere mit einem Biologie-Studium an der Universität Konstanz. In dieser Zeit schon wurde ihr Interesse an kleinen grünen Organismen geweckt: Bereits in ihrer Bachelorarbeit befasste sie sich mit Grünalgen. Ein Erasmus-Stipendium ermöglichte ihr später einen Auslandsaufenthalt in Schottland, wo sie beschloss, wie in Großbritannien nicht unüblich, direkt an den Bachelor eine Promotion anzuschließen. Ihre Doktorarbeit hat sie an der University of Kent in England angefertigt — ebenfalls zu Grünalgen.

Angekommen in Jena plant Julie Zedler nun, ihren Blick auf die Cyanobakterien zu erweitern und die Mikroorganismen nicht mehr nur als Einzelkultur, sondern in Organismenverbänden zu betrachten. „Hier am Forschungsstandort Jena gibt es zahlreiche, herausragende Expertise für mikrobielle Ökosysteme und Konsortien von Organismen“, sagt Zedler. Das biete interessante Anknüpfungspunkte für sie und die Arbeit ihres kleinen Teams. Im Moment ist sie erst einmal froh, nach der Corona-Pause erste Experimente in ihrem neuen Labor machen zu können. Gerade ist eine neue Kultivierungsanlage für Cyanobakterien in Betrieb gegangen — die Photosynthese läuft also schon mal.

(U. Schönfelder)