𝘓𝘪𝘨𝘪𝘭𝘢𝘤𝘵𝘰𝘣𝘢𝘤𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘮𝘶𝘳𝘪𝘯𝘶𝘴 (orange) wächst entlang der Hyphen des pathogenen Pilzes 𝘈𝘴𝘱𝘦𝘳𝘨𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘧𝘶𝘮𝘪𝘨𝘢𝘵𝘶𝘴 (blau).

Wenn Pilze den Atem rauben

Eine Studie aus dem Exzellenzcluster "Balance of the Microverse" zeigt: Infektion mit Aspergillus fumigatus verändert nicht nur die Lunge – auch Darm und Stoffwechsel spielen eine überraschende Rolle.
𝘓𝘪𝘨𝘪𝘭𝘢𝘤𝘵𝘰𝘣𝘢𝘤𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘮𝘶𝘳𝘪𝘯𝘶𝘴 (orange) wächst entlang der Hyphen des pathogenen Pilzes 𝘈𝘴𝘱𝘦𝘳𝘨𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘧𝘶𝘮𝘪𝘨𝘢𝘵𝘶𝘴 (blau).
Foto: Liubov Nikitashina (Leibniz-HKI) und Sandor Nietzsche (EMZ-UKJ)
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Meldung vom: | Verfasser/in: Maria Schulz

Ein unsichtbarer Eindringling stellt das empfindliche Gleichgewicht in unserer Lunge auf die Probe: Der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus, in der Natur harmlos, kann bei geschwächtem Immunsystem zur ernsten Gefahr werden – und die gesamte Bakterienwelt in der Lunge verändern. Doch damit nicht genug: Auch der Darm und der Stoffwechsel scheinen bei einer Lungeninfektion beeinflusst zu sein.

Ein Pilz, der mehr bewirkt als gedacht

Aspergillus fumigatus ist fast überall zu finden – in Erde, Kompost oder in der Luft. Für gesunde Menschen ist er meist harmlos. Doch bei Patient*innen mit geschwächtem Immunsystem kann er eine schwere Lungeninfektion verursachen, die sogenannte invasive Aspergillose. Der Pilz kann möglicherweise den Sauerstoffgehalt in der Lunge so weit verändern, dass er für bestimmte Bakterien – wie Ligilactobacillus murinus, der typischerweise im Darm, in der Mundhöhle und in der Lunge von Mäusen vorkommt – ein geeigneteres Umfeld schafft, um besser zu überleben und zu gedeihen. Diese Wechselwirkung könnte möglicherweise den Krankheitsverlauf beeinflussen und in neuen Behandlungsstrategien resultieren.

Von der Lunge bis zum Darm – alles hängt zusammen

Dass Darm und Lunge in engem Austausch stehen, ist schon länger bekannt. Neue Daten eines Forschungsteams aus Jena vertiefen nun dieses Verständnis. Die Forschenden fanden Hinweise, dass sich nicht nur das Lungenmikrobiom, sondern auch das Darmmikrobiom und bestimmte Stoffwechselprodukte im Blut während der Infektion der Lunge mit Aspergillus fumigatus verändern. Diese sogenannte „Darm-Lungen-Achse“ könnte in Zukunft eine bedeutende Rolle in der Therapie spielen. Die Arbeit wurde im Exzellenzcluster Balance of the MicroverseExterner Link von Wissenschaftler*innen des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt und kürzlich im Journal Cell Reports veröffentlicht.

Methodik und Schlüsselbefunde

Das Forschungsteam nutzte ein Mausmodell für invasive Aspergillose. Um herauszufinden, wie sich die Infektion auf die Mikroben in Lunge und Darm auswirkt, haben die Forschenden die genetischen Marker der Mikroorganismen untersucht. Um die klinischen Bedingungen möglichst realistisch nachzubilden, wurden auch die Effekte einer Immunsuppression sowie einer antimykotischen Behandlung mit Voriconazol berücksichtigt.

Das Team setzte spezialisierte Methoden ein, darunter DNA-Sequenzierung zur Identifizierung von Bakterien in Lunge und Darm sowie quantitative PCR zur Messung der Menge des Pilzerregers Aspergillus fumigatus und des dominanten Bakteriums Ligilactobacillus murinus in der Lunge. Darüber hinaus wurden metabolomische Analysen von Plasma und Lungengewebe durchgeführt. Diese Analysen erfassen und quantifizieren alle Stoffwechselprodukte in einem biologischen System, um Veränderungen im Stoffwechsel zu verstehen. Zudem isolierten die Forschenden lebende Bakterien aus den unteren Atemwegen der Mäuse und kultivierten sie gemeinsam mit Aspergillus fumigatus, um mögliche Wechselwirkungen zu untersuchen.

Ein Schlüsselergebnis der Studie war, dass die Pilzinfektion sowohl das Lungen- als auch das Darmmikrobiom aus dem Gleichgewicht bringt. In der Lunge führt dies zu einer Anreicherung anaerober Bakterien. Besonders auffällig war das verstärkte Wachstum von Ligilactobacillus murinus, was darauf hindeutet, dass der Pilz eine mikroaerophile Nische (geringe Sauerstoffkonzentrationen) schafft, die dieses Bakterium begünstigt.

Grenzen der Studie – was (noch) nicht beantwortet ist

Die Analyse des Lungenmikrobioms ist eine Herausforderung, da die Menge der bakteriellen DNA in der Lunge sehr gering ist und von menschlicher DNA überlagert wird. „Obwohl wir zahlreiche Kontrollproben analysiert haben, könnten die Ergebnisse immer noch einige Fehlklassifizierungen enthalten, wenn es sich um Bakterien handelt, die in extrem geringen Mengen vorhanden sind“, sagt Liubov Nikitashina, Erstautorin der Studie. Die geringe DNA-Ausbeute beschränkte die bakterielle Identifizierung meist auf die Gattungsebene. Verbesserte Methoden für die bakterielle DNA-Extraktion aus solch schlecht besiedelten Körperstellen könnten künftige Studien noch aussagekräftiger machen.

Die Studie wirft wichtige Fragen für zukünftige Forschungen auf: Welche Rolle spielen anaerobe Bakterien wie Ligilactobacillus murinus bei der Modulation von Aspergillus  fumigatus-Infektionen? Könnte die Anreicherung dieser Bakterien in der Lunge als diagnostischer Marker dienen oder sogar neue therapeutische Ansätze ermöglichen?

Ein kleiner Pilz mit großer Wirkung

Gerade für immungeschwächte oder bereits schwer erkrankte Menschen – etwa auf Intensivstationen oder mit Krebserkrankung – sind Pilzinfektionen ein ernstes Problem. Die neuen Erkenntnisse liefern wichtige Hinweise, wie sich solche Infektionen besser verstehen und möglicherweise verhindern lassen. Vielleicht lässt sich künftig gezielt das Mikrobiom beeinflussen, um den Körper im Kampf gegen den Pilz zu unterstützen – oder neue Medikamente entwickeln, die genau hier ansetzen.

Die Arbeiten an diesem Projekt wurden mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Europäischen Union gefördert.

Information

Original-Publikation: 

Nikitashina L, Chen X, Radosa L, Li K, Straßburger M, Seelbinder B, Böhnke W, Vielreicher S, Nietzsche S, Heinekamp T, Jacobsen ID, Panagiotou G, Brakhage AA (2025) The murine lung microbiome is disbalanced by the human-pathogenic fungus Aspergillus fumigatus resulting in enrichment of anaerobic bacteria, Cell Reports 44 DOI: https://doi.org/10.1016/j.celrep.2025.115442Externer Link

Kontakt:

Axel A. Brakhage, Univ.-Prof. Dr.
Lehrstuhlinhaber
Professur für Mikrobiologie und Molekularbiologie
Prof. Dr. Axel Brakhage, Sprecher "Balance of the Microverse"-Cluster
Foto: Anna Schroll
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie
Beutenbergstraße 11a
07745 Jena Google Maps – LageplanExterner Link