Elektronenmikroskopische Aufnahme von Pandoraea sputorum, einem bislang wenig erforschten pathogenen Bakterium aus dem Lungenmikrobiom.

Pandoras Mikroben – Der Kampf um Eisen in der Lunge

Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Exzellenzclusters "Balance of the Microverse" hat bei pathogenen Bakterien der Gattung Pandoraea eine neue Gruppe bioaktiver Naturstoffe entdeckt.
Elektronenmikroskopische Aufnahme von Pandoraea sputorum, einem bislang wenig erforschten pathogenen Bakterium aus dem Lungenmikrobiom.
Foto: Elena Herzog, Leibniz-HKI
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Meldung vom: | Verfasser/in: Friederike Gawlik

Wettlauf ums Eisen: In einer Petrischale hemmen Pandoraea-Bakterien mithilfe neu entdeckter Naturstoffe das Wachstum konkurrierender Mikroben. Die bioaktiven Pandorabactine entziehen anderen Bakterien das lebenswichtige Eisen.

Foto: Elena Herzog, Leibniz-HKI

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Hertweck am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) hat bei pathogenen Bakterien der Gattung Pandoraea eine neue Gruppe bioaktiver Naturstoffe entdeckt: die Pandorabactine. Diese ermöglichen es den Bakterien, anderen Mikroorganismen lebenswichtiges Eisen zu entziehen und können damit Einfluss auf das mikrobielle Gleichgewicht in der menschlichen Lunge nehmen. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal Angewandte Chemie International Edition veröffentlicht.

Bakterien der Gattung Pandoraea sind bislang nur wenig erforscht. Ihr Name erinnert an die Büchse der Pandora aus der griechischen Mythologie, die ein Symbol für unkontrollierbare Gefahren ist. „Wir haben uns hier mit einem antibiotikaresistenten Bakterium beschäftigt“, sagt Elena Herzog. Sie ist Erstautorin der Publikation und arbeitet als Doktorandin in Hertwecks Team. Wie so vieles in der Natur besitzen jedoch auch diese krankmachenden Bakterien nicht nur negative Eigenschaften. „Pandoraea-Bakterien bergen nicht nur Risiken in sich. Sie produzieren auch Naturstoffe mit einer antibakteriellen Wirkung.“

Trotz des hohen gesundheitlichen Risikos, das von Pandoraea ausgeht, waren die molekularen Eigenschaften dieser Bakterien bisher kaum bekannt. „Man wusste nur, dass sie in der Natur vorkommen und pathogen sein können, weil sie im Lungenmikrobiom von Patient*innen mit Mukoviszidose oder Sepsis gefunden wurden“, erläutert Herzog.

Der Wettlauf um Eisen

Wie für die meisten Lebewesen ist Eisen auch für Bakterien essenziell. „Eisen spielt zum Beispiel in Enzymen und der Atmungskette von Lebewesen eine zentrale Rolle“, erklärt Herzog. Insbesondere in eisenarmen Umgebungen wie dem menschlichen Körper sind die Bedingungen für eine ausreichende Aufnahme des Elements alles andere als ideal. Viele Mikroorganismen produzieren deshalb sogenannte Siderophore: kleine Moleküle, die Eisen aus der Umgebung binden und in die Zelle transportieren.

Bei den Pandoraea-Bakterien waren allerdings keine Virulenz- oder Nischenfaktoren bekannt, die ihnen helfen könnten, zu überleben“, so Herzog. Das Forschungsteam wollte deshalb herausfinden, wie Pandoraea-Stämme sich in einem so kompetitiven Umfeld behaupten können.

Mithilfe bioinformatischer Analysen identifizierte das Team ein zuvor unbekanntes Gencluster mit der Bezeichnung pan. Es codiert für eine nichtribosomale Peptidsynthetase – ein typisches Enzym zur Herstellung von Siderophoren. „Wir haben mit einer Gencluster-Analyse angefangen und gezielt nach Genen gesucht, die für die Produktion von Siderophoren verantwortlich sein könnten“, berichtet Herzog.

Durch gezielte Inaktivierung von Genen sowie kulturbasierte Methoden und modernste Analysetechniken – darunter Massenspektrometrie, NMR-Spektroskopie, chemischer Abbau und Derivatisierung – gelang es den Forschenden aus Jena, zwei neue Naturstoffe zu isolieren und deren chemische Struktur aufzuklären: Pandorabactin A und B. Beide sind in der Lage, Eisen zu komplexieren und könnten eine wichtige Rolle dabei spielen, wie Pandoraea-Stämme in schwierigen Umgebungen überleben. „Die Moleküle helfen den Bakterien, Eisen aufzunehmen, wenn es in ihrer Umgebung rar ist“, so Herzog.

Weniger Eisen, weniger Konkurrenten

In Bioassays zeigte sich außerdem, dass Pandorabactine das Wachstum anderer Bakterien wie Pseudomonas, Mycobacterium und Stenotrophomonas hemmen, indem sie diesen Konkurrenten Eisen entziehen.

Analysen von Sputumproben aus der Lunge von Mukoviszidose-Patient*innen offenbarten zudem: Der Nachweis des pan-Genclusters korreliert mit Veränderungen im Lungenmikrobiom. Pandorabactine könnten also einen direkten Einfluss auf mikrobielle Gemeinschaften in erkrankten Lungen haben.

„Noch ist es aber zu früh, um aus diesen Erkenntnissen medizinische Anwendungen abzuleiten“, betont Herzog. Dennoch liefert die Entdeckung wichtige Hinweise auf die Überlebensstrategien von Bakterien der Gattung Pandoraea und auf den komplexen Konkurrenzkampf um lebenswichtige Ressourcen im menschlichen Körper.

Die Studie entstand in enger Zusammenarbeit des Leibniz-HKI mit den Universitäten Jena, Heidelberg und Hong Kong. Sie wurde im Rahmen des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“Externer Link und des Sonderforschungsbereichs ChemBioSysExterner Link durchgeführt und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Das für die Analysen eingesetzte bildgebende Massenspektrometer wurde vom Freistaat Thüringen gefördert und kofinanziert von der Europäischen Union.

Information

Original-Publikation: 

Herzog E, Ishida K, Scherlach K, Chen X, Bartels B, Niehs SP, Cheaib B, Panagiotou G, Hertweck C (2025) Antibacterial Siderophores of Pandoraea Pathogens and Their Impact on the Diseased Lung Microbiota. Angew Chem Int Ed 64(24), e202505714, https://doi.org/10.1002/anie.202505714Externer Link

Kontakt:

Christian Hertweck, Univ.-Prof. Dr.
Professur für Naturstoffchemie
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie
Beutenbergstraße 11a
07745 Jena Google Maps – LageplanExterner Link