Der Kubanische Kahlkopf (Psilocybe cubensis) wächst weltweit in tropischen und subtropischen Regionen. Er enthält die psychoaktive Substanz Psilocybin.

Zauberpilze erfinden Wirkstoff zweimal

Eine Studie zeigt, dass verschiedene Pilzarten völlig unterschiedliche Wege nutzen, um die psychoaktive Substanz Psilocybin herzustellen
Der Kubanische Kahlkopf (Psilocybe cubensis) wächst weltweit in tropischen und subtropischen Regionen. Er enthält die psychoaktive Substanz Psilocybin.
Foto: Felix Blei, Leibniz-HKI
  • Life
  • Forschung

Meldung vom: | Verfasser/in: Friederike Gawlik

Ein deutsch-österreichisches Team unter Leitung der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Leibniz-HKI konnte erstmals biochemisch zeigen, dass verschiedene Pilzarten auf unterschiedlichen Wegen denselben bewusstseinsverändernden Wirkstoff Psilocybin herstellen. Sowohl Kahlköpfe der Gattung Psilocybe als auch Risspilze der Gattung Inocybe stellen diese Substanz her, nutzen für diesen Vorgang aber ganz unterschiedliche Enzyme und Reaktionsfolgen. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Angewandte Chemie International Edition veröffentlicht.

»Es geht um die Biosynthese eines Moleküls, das eine sehr lange Verbindung mit dem Menschen hat«, erklärt Prof. Dirk Hoffmeister, Leiter der Forschungsgruppe Pharmazeutische Mikrobiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI). »Gemeint ist Psilocybin, eine Substanz aus den sogenannten ›Zauberpilzen‹, die unser Körper in Psilocin umwandelt – diese Verbindung kann das Bewusstsein tiefgreifend verändern. Psilocybin löst aber nicht nur psychedelische Erfahrungen aus, sondern gilt auch als vielversprechender Wirkstoff bei therapieresistenten Depressionen«, so Hoffmeister.

Zwei Wege, ein Molekül

Die Studie, die im Kontext des Exzellenzclusters ‚Balance of the Microverse‘ entstanden ist, zeigt erstmals, dass Pilze die Fähigkeit zur Herstellung von Psilocybin mindestens zweimal unabhängig voneinander entwickelt haben. Während Psilocybe-Arten dafür einen bekannten Enzym-Werkzeugkasten nutzen, bedienen sich Risspilze eines völlig anderen biochemischen Arsenals – und gelangen doch zum gleichen Molekül. Dieser Befund gilt als Beispiel für konvergente Evolution: Unterschiedliche Arten haben ein ähnliches Merkmal unabhängig voneinander hervorgebracht, allerdings sind die ›Zauberpilze‹ dabei ihre ganz eigenen Wege gegangen.

Spurensuche im Pilz-Erbgut

Tim Schäfer, Erstautor der Studie und Doktorand in Hoffmeisters Team, erklärt: »Es war, als ob man in zwei unterschiedliche Werkstätten schaut, die aber beide am Ende das gleiche Produkt ausliefern. In den Risspilzen fanden wir ein eigenes Set an Enzymen, die nichts mit denen aus Psilocybe-Kahlköpfen zu tun haben. Trotzdem katalysieren sie die Schritte, die nötig sind, um Psilocybin zu bilden.«

Die Forschenden analysierten die Enzyme im Labor. Proteinmodelle des Innsbrucker Chemikers Bernhard Rupp bestätigten, dass sich die Reihenfolge der Reaktionen von der in Psilocybe bekannten deutlich unterscheidet. »Hier hat die Natur denselben Wirkstoff tatsächlich zweimal erfunden«, sagt Schäfer.

Warum allerdings zwei so unterschiedliche Pilzgruppen denselben Wirkstoff herstellen, ist nach wie vor offen. »Die wahre Antwort ist: Wir wissen es nicht«, betont Hoffmeister. »Die Natur macht nichts ohne Grund. Es muss also einen Vorteil geben, dass sowohl Risspilze im Wald als auch Psilocybe-Arten auf Dung oder Holzmulch dieses Molekül produzieren – wir kennen ihn nur noch nicht.«

»Ein möglicher Grund könnte darin liegen, dass Psilocybin Fressfeinde abschrecken soll. Schon kleinste Verletzungen lassen Psilocybe-Pilze durch eine chemische Kettenreaktion blau anlaufen, wobei Abbauprodukte des Psilocybins sichtbar werden. Vielleicht ist das Molekül eine Art chemischer Verteidigungsmechanismus«, so Hoffmeister.

Mehr Werkzeuge für die Biotechnologie

Obwohl noch unklar ist, warum verschiedene Pilze am Ende ein und dasselbe Molekül produzieren, ist die Entdeckung dennoch praktisch: »Dadurch, dass wir nun weitere Enzyme kennen, haben wir mehr Werkzeuge in der Kiste für die biotechnologische Herstellung von Psilocybin«, erklärt Hoffmeister.

Auch Schäfer blickt nach vorn: »Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen, Psilocybin für die Pharmazie künftig in Bioreaktoren zu produzieren, ohne dabei auf komplexe chemische Synthesen angewiesen zu sein.« Am Leibniz-HKI in Jena arbeitet Hoffmeisters Team dabei eng mit dem BiotechnikumExterner Link zusammen, das Verfahren entwickelt, Naturstoffe wie Psilocybin in industrieähnlichen Maßstäben herzustellen.

Gleichzeitig liefert die Studie spannende Einblicke in die Vielfalt chemischer Strategien von Pilzen und deren Wechselwirkungen mit ihrer Umwelt. Damit greift sie zentrale Fragestellungen des Sonderforschungsbereichs ChemBioSysExterner Link sowie des Exzellenzclusters ‚Balance of the MicroverseExterner Link‘ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena auf, in deren Rahmen die Arbeit entstanden ist und unter anderem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wurde. Während der SFB ChemBioSys erforscht, wie Naturstoffe biologische Gemeinschaften prägen, widmet sich der Exzellenzcluster den komplexen Dynamiken von Mikroorganismen und ihrer Umwelt.

Information

Original-Publikation:

Schäfer T, Haun F, Rupp B, Hoffmeister D (2025) Dissimilar Reactions and Enzymes for Psilocybin Biosynthesis in Inocybe and Psilocybe Mushrooms. Angew Chem Int Ed, https://doi.org/10.1002/anie.202512017Externer Link

Kontakt:

Dirk Hoffmeister, Prof. Dr.
Professur für Pharmazeutische Mikrobiologie
Bioinstrumentezentrum
Winzerlaer Straße 2
07745 Jena Google Maps – LageplanExterner Link