Farbrekonstruktion des Zinnsargs von Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Jena (1675–1690) aus der Fürstengruft in der Jenaer Stadtkirche St. Michael.

Die Pracht der letzten Ruhe

Universität Jena präsentiert einmalige Farbrekonstruktion eines barocken Sargs
Farbrekonstruktion des Zinnsargs von Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Jena (1675–1690) aus der Fürstengruft in der Jenaer Stadtkirche St. Michael.
Foto: Digitus Art/Universität Jena

Meldung vom: | Verfasser/in: Sebastian Hollstein

Der restaurierte Sarg, wie er heute aussieht.

Foto: Digitus Art/Universität Jena

Gerade einmal 18 Jahre lang existierte das Fürstentum Sachsen-Jena, bevor mit Johann Wilhelm 1690 der letzte männliche Spross im Alter von 15 Jahren verstarb und das Haus wieder aus der Geschichte verschwand. Zwei Jahre zuvor hatte der junge Adlige noch im Alter von 13 Jahren ein Studium an der Universität Jena begonnen und als Landesherr damit auch das Amt des fürstlichen Rektors übernommen.

Heute zeugt vor allem die Fürstengruft in der Jenaer Stadtkirche St. Michael von der äußerst kurzen Regentschaft. Die Fürstenfamilie ist dort in vier Zinnsärgen bestattet. Der Sarg des letzten Erben sticht dabei besonders hervor: Er zählt zu den schönsten Barocksärgen Mitteldeutschlands. Um diese Pracht in vollem Umfang wieder erlebbar zu machen, hat die Friedrich-Schiller-Universität Jena nun gemeinsam mit Restaurierungs- und Digitalisierungsexperten – unterstützt durch die Ernst-Abbe-Stiftung – eine Farbrekonstruktion des Zinnsargs erarbeitet, die es so in Europa noch nicht gegeben hat.

Im Rahmen des Forschungsprojekts zum Collegium Jenense, der Keimzelle der Universität Jena, restaurierten Expertinnen und Experten im Frühjahr 2025 die Särge, finanziert durch Fördermittel der Kulturstiftung der Länder sowie des Hauses Sachsen-Weimar-Eisenach. Dabei erfassten Digitalisierungsexpertinnen und -experten des Weimarer Unternehmens Digitus Art den aufwendig gestalteten Sarg in 3D und schufen am Rechner ein dreidimensionales Abbild.

»Gleichzeitig erforschte das Restaurierungsteam um Prof. Bernhard Mai mittels Röntgenfluoreszenzanalyse die Oberflächen des Sargs und leitete daraus zunächst die Metallzusammensetzung und dadurch auch die Farbigkeit der jeweiligen Bereiche ab, die über die Jahrhunderte verschwunden ist. Denn mit der Zeit haben sich etwa die Zinnoberflächen verdunkelt und Vergoldungen sind abgerieben. Zudem fehlen einige Schmuckelemente«, erklärt Dr. Enrico Paust, der Kustos der Sammlung Ur- und Frühgeschichte der Universität Jena, der das Rekonstruktionsprojekt leitete. »Auf Basis dieser Informationen konnten wir am Computer eine Farbrekonstruktion des Sargs erschaffen und sein ursprüngliches prunkvolles Erscheinungsbild wieder herstellen.«

Alphabet in originaler Schriftart nachgebildet

Dank der Rekonstruktion lässt sich nun beispielsweise zeigen, dass das Kruzifix auf dem Deckel rötlich schimmerte, da es aus einer Legierung aus Silber und Kupfer – sogenanntem Rosé-Silber – gefertigt wurde. Außerdem ergänzten die Expertinnen und Experten die Inschriften auf der Oberseite des Sargdeckels, die am Original kaum noch zu erkennen sind. Dafür schufen sie per Hand ein Alphabet nach der Vorlage der Inschriften an den Seitenwänden, die besser erhalten sind, und fügten die Buchstaben zu dem Text zusammen, der aus einer Abschrift bereits bekannt war. »In über 100 Arbeitsstunden entstand so die Rekonstruktion eines barocken Prunksargs, die europaweit neue Standards setzt«, sagt Enrico Paust. Die dreidimensionale Nachbildung ist im Internet abrufbar, ergänzt durch weitere wertvolle Informationen rund um den Sarg und seine belebte Geschichte.

Flaschenpost im Sarg

»Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entwendeten Diebe einige vergoldete Schmuckscheiben aus Zinn und hinterließen dabei ein Loch im Sarg, durch den 1958 ein Brandanschlag auf die Grablegung verübt wurde«, berichtet der Jenaer Archäologe. »Die Attentäter füllten brennendes Phosphor ein, was den hölzernen Innensarg schwer beschädigte und auch am Zinnsarg Schäden hinterließ.« Hinzugezogene Expertinnen und Experten aus der Ur- und Frühgeschichte sowie der Anthropologie hätten den Sarg daraufhin geöffnet und den Schwelbrand gelöscht. Anschließend entnahmen sie einen Teil der Innensärge und der Gebeine, um sie wissenschaftlich zu untersuchen, und verschlossen den Sarg wieder.

Im Rahmen des Restaurierungsprojekts warfen die Jenaer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fast 70 Jahre später mit einem Endoskop erneut einen Blick in das Innere des Sargs und stellten fest, dass die in den 1950er Jahren entnommenen Knochen nicht wieder zurückgelegt worden waren. Stattdessen hatten die früheren Kolleginnen und Kollegen eine Flaschenpost hinterlassen, in der sie ihre Untersuchungsergebnisse und den Aufbewahrungsort der Gebeine in der Osteologischen Sammlung übermittelten. Das Bild, was sich den Forschenden bei der Öffnung des Sargs bot, haben sie ebenfalls dreidimensional festgehalten und online zur Verfügung gestellt.

»Alle Digitalisierungsarbeiten vor, während und nach der Restaurierung haben vor allem einen dokumentarischen Charakter. Anhand der Abbildungen haben wir zum einen den jeweiligen Zustand festgehalten und können zum anderen in Zukunft nachvollziehen, wie sich der Zustand der Materialien verändert«, erklärt Enrico Paust. Zudem haben die Jenaer Forschenden den Inhalt des Sargs eingehend untersucht. So nahmen sie beispielsweise Textilreste genauer unter der Lupe, um mehr über die Bestattungstraditionen der Zeit zu erfahren. Inzwischen sind sämtliche Sarginhalte wieder im Originalsarg – und in einem neuen Innensarg aus Zink – bestattet.

Information

Die Farbrekonstruktion und die 3D-Abbildung des Sargs sind zu finden unter: https://www.digitus.art/projektdetailseite/der-prunksarg-des-herzog-johann-wilhelm-von-sachsen-jena.htmlExterner Link

Kontakt:

Enrico Paust, Dr.
Kustos Sammlung UFG; Projekte »Collegium Jenense«
Lehrstuhl Ur- und Frühgeschichte
Löbdergraben 24a
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link