Samaneh Ehteram vom Exzellenzcluster "Understanding Written Artefacts" der Universität Hamburg bedient den Enci-Scanner.

Hightech-Scanner knackt uralte Briefgeheimnisse

Hamburger Expertenteam untersucht mit speziellem Röntgentomographen Keilschrifttafeln aus der Hilprecht-Sammlung der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Samaneh Ehteram vom Exzellenzcluster "Understanding Written Artefacts" der Universität Hamburg bedient den Enci-Scanner.
Foto: Nicole Nerger (Universität Jena)
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Meldung vom: | Verfasser/in: Stephan Laudien

Die Keilschrift, gut 3.000 Jahre vor Christus erfunden, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts entschlüsselt. Seitdem können die Texte gelesen werden, inzwischen werden sogar Systeme mit Künstlicher Intelligenz trainiert, die Keilschrifttexte zu lesen.

Ein Forschungsteam aus Hamburg möchte jetzt noch eine Schicht tiefer gehen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters »Understanding Written Artefacts« am Centre for the Study of Manuscript Cultures (CSMC) der Uni Hamburg und dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) haben einen transportablen hochauflösenden Röntgentomographen entwickelt, mit dessen Hilfe sie die Tontäfelchen im Inneren auf Einschlüsse wie Pflanzensamen oder Fossilien untersuchen können. Aktuell werden in Jena Tontafeln aus der Hilprecht-Sammlung der Universität Jena untersucht. 

Über Jahrtausende verschlossene Botschaften lesbar machen 

Die Tontafeln werden ungern auf Reisen geschickt, deshalb lag es nahe, ein transportables Gerät zu konstruieren. »Die Herausforderung bestand darin, ein möglichst leichtes und hochauflösendes System zu entwickeln«, sagt Andreas Schropp, Wissenschaftler am DESY. Das Ergebnis heißt »ENCI«, das steht für »Extracting Non-destructively Cuneiform Inscriptions« und zugleich ist Enki der Name einer sumerischen Gottheit, des Gottes der Weisheit und Magie.

»ENCI« lässt sich wie ein Bausatz aus acht Einzelteilen zusammensetzen und wiegt insgesamt ca. 420 Kilogramm. Es liefert Datensätze von je etwa 50 Gigabyte Größe, die sich nach einer tomographischen Datenauswertung dreidimensional darstellen lassen. Die gemessenen Datensätze sind ungefähr 100 Mal größer und die erreichte Auflösung zehnmal feiner als in einem typischen medizinischen CT. Zugleich ist das System weitgehend autark, es benötigt lediglich eine herkömmliche Steckdose für den Betrieb.

Im Einsatz waren »ENCI« und das Team von der Universität Hamburg und dem DESY schon in der Türkei, in Ankara und in Kayseri, sowie voriges Jahr im Pariser Louvre. In der Hilprecht-Sammlung der Friedrich-Schiller-Universität werden u. a. Tontafeln untersucht, die Johannes Groß ausgewählt hat. Der Doktorand der Assyriologie am CSMC erforscht Gebrauchstexte, etwa Futterlisten aus der Tierhaltung oder Inventarverzeichnisse. »Vielleicht zeigen die Röntgen-Ergebnisse, ob die Tafeln aus einer Werkstatt kamen oder sich einem Schreiber zuordnen lassen«, sagt Groß. 

Täuschungsversuchen wurde clever vorgebeugt 

Entwickelt wurde ENCI ursprünglich mit dem Ziel bisher verborgene Texte wieder sichtbar zu machen, sagt Jonas Klöker, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Seminar für Altorientalistik der Universität Jena. Ähnlich einem Briefkuvert verschlossen schon die Schreiber von damals manche der Tontafeln mit einem Umschlag, der ebenfalls aus Ton bestand. Bei Rechtstexten trägt der Umschlag in der Regel den gleichen Text wie die enthaltene Tafel,  bei Briefen wurden Absender und Adressat notiert.

Dieser Umschlag habe zugleich angezeigt, dass der Inhalt unverändert geblieben war, wodurch Täuschungsversuchen vorgebeugt wurde, sagt Jonas Klöker. Das sei gerade bei Verträgen wichtig gewesen. Viele der Umschläge sind bis heute unversehrt, die Briefe oder Verträge haben die Jahrtausende ungeöffnet überdauert. Da sie schwerlich entfernt werden können, ohne die wertvollen Artefakte zu zerstören, blieb der konkrete Inhalt der Tafeln bis heute verborgen. Dank ENCI wird sich das nun ändern.

Kontakt:

Jonas Josef Johann Klöker