
- Forschung
Meldung vom: | Verfasser/in: Marco Körner
Eine Künstliche Intelligenz, die ein komplettes Experiment am Rasterkraftmikroskop (AFM) eigenständig plant, durchführt und auswertet: Genau das hat ein internationales Team aus Forschenden in Indien, Dänemark und Jena demonstriert. Die KI-Agentin AILA (»Artificially Intelligent Lab Assistant«) kalibriert das Mikroskop, wählt Betriebsmodi, speichert und analysiert Bilddaten – und entscheidet bei Bedarf über eine erneute Aufnahme. Begleitend zu ihrer Veröffentlichung im Fachmagazin »Nature Communications« stellt das Team mit AFMBench einen Benchmark mit 100 realen Laboraufgaben vor, um derartige agentische Systeme systematisch zu prüfen.
KI als Werkzeug – nicht als Ersatz
Auch wenn AILA Experimente autonom ausführt, sei sie kein Ersatz für Forschende, betont Lothar Wondraczek, Professor für Glaschemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. »Wir setzen KI als Werkzeug in der Wissenschaft ein, nicht als Wissenschaftler. Unser Ziel ist es, damit wieder mehr Zeit für kreative Tätigkeiten freizusetzen«, erklärt der Materialwissenschaftler. So orchestriert die agentische KI eine Reihe spezialisierter Teilaufgaben – von der Gerätebedienung bis zur Datenauswertung – über ein mehrstufiges, modular aufgebautes System. »Die KI kann vollständige AFM-Experimente mit allen nötigen Arbeitsschritten autonom durchführen«, führt Wondraczek aus. »Dazu gehören etwa die Kalibrierung, die eigentliche Messung und die Auswertung der Ergebnisse.«
Internationale Zusammenarbeit
»Die Idee für AILA brachte Professor N. M. Anoop Krishnan vom Indian Institute of Technology in Delhi während eines Sabbaticals nach Jena«, erklärt Wondraczek und resümiert: »Ohne die Förderung dieses Sabbaticals durch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung wäre es wohl nicht zu diesem Durchbruch gekommen«. Gemeinsam mit weiteren Kollegen aus Aalborg (Dänemark) entstand so das Ziel, derartige agentische KIs nun auch in weiteren Laboraufgaben als autonome Assistenten einzusetzen.
Klare Grenzen: Sicherheit im Fokus
Eine der ersten Fragen betraf die Zuverlässigkeit einer KI, zumal mit Zugriff auf Werkzeuge in der physischen Welt. In seiner Arbeit dokumentiert das Team dabei beispielsweise das Phänomen des »Schlafwandelns«: KI-Agenten können von Anweisungen abweichen und unautorisierte Schritte ausführen, die über die eigentliche Nutzeranfrage hinaus gehen. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass die KI Bilder aufnimmt, obwohl nur eine Kalibration des Mikroskops erfragt war. »Autonome Laborprozesse müssen genau das tun, was beabsichtigt ist – nicht das, was zufällig ‚üblich‘ ist. Dies erfordert enge Regeln und Sicherheitsmaßnahmen, deren Implementierung essentiell für den weiteren Einsatz solcher agentischer Systeme ist.«
Nächster Schritt: Das autonome Labor
Die Arbeit ist Baustein auf dem Weg hin zu vernetzten, autonomen Laboren, in denen Synthese, Analytik und Datenauswertung zusammenlaufen. Ein übergeordneter Fokus der Jenaer Beteiligten ist derzeit der Aufbau von autonomen, energie- und ressourceneffizienten Werkzeugen zur Entwicklung neuartiger Gläser – vom Schmelzen von Rohstoffmischungen über die weitere Prozessführung bis hin zur Analytik der erhaltenen Materialien.
»Unser Ziel ist ein Labor, das Geräte und Prozessschritte selbstständig koordinieren kann – von der Probenherstellung über die Messung bis zur Auswertung. Das Beispiel der autonomen Mikroskopie ist ein Schritt auf diesem Weg, der uns Möglichkeiten bringt, aber auch neue Herausforderungen offenlegt«, sagt Wondraczek.
Original-Publikation:
Evaluating large language model agents for automation of atomic force microscopy, Nature Communications (2025). DOI: 10.1038/s41467-025-64105-7, https://www.nature.com/articles/s41467-025-64105-7Externer Link