Mexiko von oben

UNAM- Universidad Nacional Autonoma de Mexico

Wintersemester 2024/25
Mexiko von oben
Foto: Richard, Uni Jena
  • UNAM- Universidad Nacional Autonoma de Mexico

Meldung vom:

Richard, Bachelor Wirtschaft und Sprachen

Es sollte eine spannende, lehrreiche und nicht zuletzt herausfordernde Erfahrung werden! Mit diesem Ziel vor Augen entschied ich mich im Rahmen meines Bachelorstudiengangs Wirtschaft und Sprachen an der Friedrich-Schiller-Universität Jena für ein Auslandssemester an der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) in Mexiko-Stadt.
Wie wäre es, in einer der größten Metropolen der Welt zu leben?
Wie wäre es, an einer der größten und renommiertesten Universitäten Lateinamerikas zu studieren?
Wie wäre es, den Día de los Muertos oder den mexikanischen Unabhängigkeitstag mitzuerleben?
Wie wäre es über die Pyramiden von Teotihuacán zu fliegen oder im Golf von Mexiko zu baden?
All diese, zugegeben etwas romantisierten, Fragen stellte ich mir zu Beginn meiner Reise nach Mexiko. Sie gaben mir die Motivation, dieses große, prägende und nicht immer einfache Abenteuer auf der anderen Seite der Welt anzutreten. Welche Erfahrungen ich in Mexiko und an der UNAM gemacht habe, worauf man sich freuen kann und worauf man eventuell achten sollte, möchte ich in diesem Erfahrungsbericht erzählen.

Bewerbungsprozess

Ein Austauschsemester an der UNAM ist keineswegs selbstverständlich und mit einigen Hürden verbunden. Deshalb informierte ich mich frühzeitig beim Internationalen Büro der Universität Jena über den Bewerbungsprozess, die benötigten Unterlagen sowie die relevanten Sprachzertifikate. Eine frühzeitige Planung erwies sich als sehr wichtig, um den Ablauf gut zu planen und keine Fristen zu verpassen.
Zunächst bewarb ich mich an der Universität Jena für den Austauschplatz. Nach einer positiven Rückmeldung folgte ein separater Bewerbungsprozess bei der UNAM. Eine entscheidende Voraussetzung für die Annahme war der Nachweis eines offiziellen Spanischzertifikats, das mindestens ein B2-Sprachniveau bescheinigt. Dabei handelte es sich konkret ein DELE- oder SIELE-Zertifikat des Instituto Cervantes.
Zwar konnte ich bereits eine bestandene B2-Prüfung im Rahmen meines Studiums vorweisen, diese wurde von der UNAM jedoch nicht anerkannt. Deshalb meldete ich mich zur SIELE-Prüfung am Instituto Cervantes an. Mit einem offiziellen Nachweis eines B2-Spanisch-Zertifikates und mit einem Notendurchschnitt von unter 2,5 wurde ich schließlich als Austauschstudent an der UNAM angenommen. Allerdings erhielt ich die Zusage erst etwa zwei Monate vor Semesterbeginn. Damit begannen die relativ kurzfristigen organisatorischen Vorbereitungen, die in meinem Falle vor allem das Abschließen einer Auslandskrankenversicherung, Flugbuchung und die Beschaffung einer Kreditkarte umfasste. Außerdem wurde man seitens der UNAM gefragt, ob man am sogenannten UNAMigo-Programm teilnehmen möchte. Dabei wird einem als Austauschstudent ein normaler Student der UNAM als Betreuungsperson zur Seite gestellt. Für einen ersten Kontakt und einen einfachen Start in das Semester ist eine Teilnahme am Programm sehr zu empfehlen.

Tipp zum Sprachnachweis: SIELE oder DELE?
Das Instituto Cervantes bietet zwei anerkannte Sprachprüfungen an: Den DELE und den SIELE. Beide werden von der UNAM akzeptiert, unterscheiden sich jedoch in Aufwand und Gültigkeit. Der DELE-Test ist lebenslang gültig, dafür ist die Prüfung komplexer und das Ergebnis lässt bis zu drei Monate auf sich warten. Der SIELE-Test ist nur fünf Jahre gültig, aber flexibler und schneller. Die Prüfung kann online oder vor Ort an einem Standort des Instituts abgelegt werden. Das Ergebnis bekommt man in der Regel schon nach etwa zwei Wochen.
Ich habe beide Prüfungen bereits abgelegt und empfehle im Kontext einer Bewerbung für ein Auslandssemester klar den SIELE - Test, da dieser meiner Meinung nach einfacher zu bestehen ist und eine schnelle Rückmeldung bietet. Dennoch sollte man die Prüfung nicht unterschätzen.

Die Mondpyramide von Teotihuacán

Foto: Richard, Uni Jena

Ankunft in Mexiko-Stadt und Wohnungssuche

Im Voraus schaute ich noch nicht nach einer Wohnung. Stattdessen war mein Plan, die ersten zwei Wochen in einem Airbnb in der Nähe der Universität zu verbringen und vor Ort eine geeignete Unterkunft zu finden. Zwei Tage vor Abflug mietete ich ein Zimmer im Stadtviertel Coyoacán, das direkt an den Universitätscampus und Stadtviertel Ciudad Universitaria angrenzt.
Die ersten Tage standen im Zeichen des Ankommens: Jetlag überwinden, sich an die neue Umgebung gewöhnen und erste Erledigungen tätigen. Als jemand, der zuvor noch nie außerhalb Europas, geschweige denn in Lateinamerika, war, war mein erster Eindruck überwältigend. Das neue Stadtbild, der dichte Verkehr, die lauten Geräusche und der Duft frischer Tortillas an jeder Straßenecke prägten meine ersten Eindrücke. So traute ich mich jeden Tag etwas weiter in die Stadt und konnte einige erste Erledigungen mache. Dazu zählten:

  • Adapter für Steckdosen (gibt es in vielen Elektronikläden)
  • mehrere Liter Trinkwasser (Leitungswasser ist nicht trinkbar)
  • Magen-Darm-Medikamente zur Vorsorge
  • eine SIM-Karte von AT&T (ca. 5 Euro im OXXO-Kiosk)
  • Bargeld – da nicht überall Kartenzahlung möglich ist. Die Citibanamex erwies sich als Bank mit den geringsten Abhebegebühren für meine ausländische Kreditkarte

Wohnungssuche

Für Studierende gibt es in Mexiko-Stadt verschiedene Möglichkeiten, an eine Unterkunft zu kommen. Viele Studenten finden vor allem über Facebook-Gruppen, Aushänge am Campus oder über persönliche Kontakte eine Wohnung. Ich nutzte vor allem Facebook und besichtigte innerhalb von zwei Wochen einige Wohnungen. Für mich war es dabei wichtig, die Zimmer persönlich zu sehen, um Zustand und Mitbewohner einschätzen zu können.
Letztlich entschied ich mich für ein WG-Zimmer mit drei mexikanischen Mitbewohnern, nur fünf Gehminuten von meiner Fakultät entfernt. Aufgrund der Größe der Stadt würde ich empfehlen, eine Wohnung in der Nähe der Universität zu suchen, um die Wege so klein wie möglich zu halten. Die Mieten für ein WG-Zimmer in einer solchen Lage im Süden der Stadt sollten dabei bei etwa 150–350 € monatlich liegen.

Zentralbibliothek der UNAM

Foto: Richard, Uni Jena

Studienstart an der UNAM

Der Semesterstart begann mit einem offiziellen Einführungstag für internationale Studierende. Neben einer herzlichen Begrüßung durch Lehrende, Universitätsangestellte und Studenten wurde das breite kulturelle und sportliche Angebot präsentiert. Darunter fielen Tanzkurse, Theaterangebote, Fitnessangebote, Fußball,  Sprachkurse und vieles mehr.
Es folgten Informationen zum Campusleben und zur medizinischen Versorgung. Anschließend konnten wir an einer Bustour durch den Campus teilnehmen. Bei der Tour bekam man erstmals ein Gefühl für die beeindruckenden Ausmaße der Universität. Allein die Fläche des Campus wirkt wie eine eigene Stadt, die vergleichbar mit einer größeren deutschen Kleinstadt wie Jena wäre. Ergänzt wird dieses Bild von einer Stadt durch eine eigene Polizeieinheit, mehrere Buslinien (Pumabus), Supermärkte, Parks, Museen, Bibliotheken und nicht zuletzt durch das riesige Olympiastadion.

Kurswahl und Fakultät

Ich war an der Facultad de Economía eingeschrieben. Dort gab es ein großes Angebot an Kursen, für die keine speziellen Vorkenntnisse erforderlich waren. Die Einschreibung erfolgte vor Ort, wobei mir der Rat von meinen Kommilitonen sehr half. Ich schloss mich meinem UNAMigo und seinen Freunden an, was sich als gute Entscheidung erwies. Sie wussten natürlich, welche Kurse besonders interessant waren oder welche Kurse man aufgrund der hohen Durchfallquote lieber meiden sollte. Innerhalb der ersten Woche konnte man zunächst in die Kurse reinschnuppern und dann gegebenenfalls auch den Kurs wechseln. Neben Kursen in Makroökonomie und mexikanischer Wirtschaftsgeschichte belegte ich auch ein Seminar, das sich mit wirtschaftlichen Entwicklungstheorien im lateinamerikanischen Raum beschäftigte. Gerade dieser Kurs stand sinnbildlich für die neue Perspektive, die mir das Studium in Mexiko eröffnete. Als Wirtschaftsstudent konnte ich meinen überwiegend europäischen Blick hinterfragen und durch eine lateinamerikanische Sichtweise auf wirtschaftliche Zusammenhänge erweitern.

Uni-Alltag

Der akademische Alltag an der Facultad de Economía war klar strukturiert und unterschied sich in einigen Punkten deutlich vom Studium in Deutschland. Die Kurse waren eher klein gehalten, meist mit unter 30 Studierenden, was eine persönliche Lernatmosphäre ermöglichte und den direkten Austausch mit den Dozierenden förderte.
Der Unterricht erfolgte ausschließlich auf Spanisch, was zu Beginn durchaus herausfordernd war, mich aber schnell sprachlich wachsen ließ. Es bestand in allen Kursen Anwesenheitspflicht. Darüber hinaus war das Semester geprägt von einer kontinuierlichen Leistungsabfrage. Neben regelmäßigen Lektüreaufgaben und wöchentlichen Hausaufgaben gab es innerhalb des Semesters pro Kurs meist drei Prüfungen, aus denen sich die Gesamtnote zusammensetzte.
Rückblickend war das Studium an der UNAM fachlich herausfordernd, aber enorm bereichernd. Gerade durch die lateinamerikanische Perspektive auf wirtschaftliche Zusammenhänge war das Auslandssemester eine sehr wertvolle Ergänzung zu meinem bisherigen Studium der Wirtschaftswissenschaft in Deutschland.

Einführungstag an der UNAM

Foto: Richard, Uni Jena

Leben in Mexiko

Das Leben in Mexiko ist lebendig, bunt und manchmal auch etwas chaotisch. Für mich war es eine ganz neue Erfahrung, in einem Land zu leben, in dem so vieles anders funktioniert als in Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Von der Art, wie man im Alltag kommuniziert, über das Zeitempfinden, bis hin zum Umgang mit Behörden oder dem öffentlichen Verkehr, vieles ist anders und man brauchte Zeit, um sich daran zu gewöhnen.
Gleichzeitig wird man als Austauschstudent mit offenen Armen empfangen. Die Menschen sind herzlich, hilfsbereit und oft neugierig auf deutsche oder europäische Sichtweisen und Meinungen. Wer sich bemüht, offen und respektvoll mit der Kultur umzugehen und die Sprache aktiv zu nutzen, wird schnell Kontakte knüpfen und neue Freunde finden.
Ein wichtiger Punkt, der häufig angesprochen wird, ist das Thema Sicherheit. Natürlich gibt es in Mexiko auch Orte und Situationen, die man meiden sollte. Mit einem gesunden Maß an Vorsicht, etwas Vorbereitung und gesundem Menschenverstand fühlte ich mich jedoch so gut wie immer sicher. Wichtig ist zu wissen, in welchem Stadtviertel man sich befindet, bei Dunkelheit nicht mehr allein unterwegs zu sein, Uber statt Taxis zu nutzen und Wertgegenstände möglichst unauffällig zu transportieren.
Neben dem Studium blieb auch genügend Zeit, um das Land zu erkunden. Mexiko ist landschaftlich extrem vielfältig. Von weißen Sandstränden an der Küste über beeindruckende Vulkanlandschaften im Landesinneren bis hin zu präkolumbianischen Ruinen. Auch in Mexiko-Stadt selbst gibt es unglaublich viel zu entdecken. Besonders beeindruckt haben mich der Zócalo, der zentrale Platz mit seiner imposanten Kathedrale und den Überresten des aztekischen Tempels Templo Mayor, sowie der Chapultepec-Park, einer der größten innerstädtischen Parks der Welt. Dort befinden sich nicht nur weitläufige Grünflächen, sondern
auch das sehenswerte Museo Nacional de Antropología, das einen faszinierenden Einblick in die präkolumbianische Geschichte Mexikos bietet. Ein weiterer Höhepunkt war der Besuch des Frida-Kahlo-Museums im Stadtteil Coyoacán. Auch ein Spaziergang durch das junge und angesagte Viertel La Condesa mit seinen Cafés, kleinen Boutiquen und Märkten lohnt sich jederzeit.

Was eine Erfahrung!

Mein Auslandssemester an der UNAM war eine außergewöhnliche und prägende Erfahrung, die mich akademisch, sprachlich und persönlich weitergebracht hat. Ich habe nicht nur mein Spanisch und meine interkulturellen Fähigkeiten deutlich verbessert, sondern auch ein ganz neues Verständnis von der Vielfalt und Schönheit unserer Welt gewonnen. Zugleich wurde mir in einem Land wie Mexiko jedoch auch bewusst, welchen Herausforderungen wir als Menschen unmittelbar gegenüberstehen. Allen voran den Folgen des Klimawandels, der zunehmende sozialen Ungleichheit und der anhaltenden Armut, die nicht nur in Mexiko allgegenwärtig sind, sondern in vielen Teilen der Welt immer stärker spürbar werden. Umso deutlicher wurde mir, dass wir diesen Herausforderungen nicht mit nationaler Abschottung oder kurzfristigem Eigeninteresse begegnen können. Stattdessen braucht es ein gemeinsames Handeln, ein Denken über Grenzen hinaus und das Bewusstsein, dass wir alle Bewohner einer gemeinsamen Welt sind und gemeinsam Verantwortung für unsere Zukunft tragen.
Zusammenfassend haben mich das Land, die Stadt und die Universität durch ihre Vielfalt, ihre Lebensfreude und ihre faszinierende Mischung aus Ordnung und Chaos tief beeindruckt. Trotz einiger Herausforderungen und einiger Momente des Heimwehs bin ich sehr dankbar für diesen Abschnitt in meinem Leben. Ich bin dankbar für all die Erfahrungen, die ich machen durfte und für die Menschen, mit denen ich sie teilen konnte.
Abschließend möchte ich mich herzlich bei der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Internationalen Büro bedanken, die dieses Auslandssemester ermöglicht und von Anfang an unterstützt haben. Es war eine Zeit voller neuer Eindrücke, Begegnungen und Erfahrungen, die ich nie vergessen werde.
Eine Zeit, die ich jedem weiterempfehlen kann, der den Mut hat, über Grenzen hinauszugehen und sich auf das Unbekannte einzulassen.